Liebeskuenste
Wirt soeben versucht, eine Frau am Arm festzuhalten. Doch sie reißt sich los und stürmt durch das Restaurant auf unseren Tisch zu. Ihre hüftlangen, pechschwarzen Haare wehen wie eine Kriegsfahne hinter ihr her, das Gesicht mit den asiatischen Augen ist im rasenden Zorn verzerrt. Vor unserem Tisch kommt sie zum Stehen. Trotz ihrer vor Wut entstellten Züge besitzt sie die filigrane Schönheit einer Porzellanpuppe.
»Du elender Hurenbock!« Ihre Stimme indes ist alles andere als zerbrechlich, sie ist durchdringend und ordinär. »Wusste ich doch, dass du dich hier verkrochen hast! Aber mich linkst du nicht! Ich finde dich, egal, wo du dich vor mir versteckst!« Sie beugt sich vor und packt Roman am Hemd. »Es war mir klar, dass du hier bist, denn hierher bringst du doch alle deine Schlampen, von denen du glaubst, dass du sie vor mir geheimhalten kannst!«
Ich erstarre zur Salzsäule und beobachte mit weit aufgerissenen Augen den Auftritt, der vor mir abrollt wie ein schlechter Film.
»Und du, du mieses Flittchen!« Nun wendet sie sich an mich und schiebt ihr Gesicht so nahe an meines heran, dass sich unsere Nasenspitzen beinahe berühren:
»Du glaubst wahrscheinlich, du bist die Einzige? Hat er dir schon eine Liebeserklärung gemacht, dir ins Ohr gesülzt, wie toll und sexy er dich findet? Dass er ganz hin und weg ist von deinen Reizen?« Sie lacht hysterisch.
Alle Blicke sind wie gebannt auf uns gerichtet, das ganze Lokal vibriert in Erwartung eines handfesten Skandals, an dem sich die Münchener Society noch lange ergötzen kann. Am liebsten würde ich vor Scham im Erdboden versinken.
»Naomi! Um Himmels willen, bitte beruhige dich.« Roman ist aufgestanden und versucht, die Tobende zur Räson zu bringen, doch sie ist nicht zu bremsen.
Die anderen Gäste lauschen voller Sensationsgier. Ich sehe in hämisch grinsende Gesichter, die entzückt das unwürdige Schauspiel begaffen. Schon werden die ersten Fotohandys hervorgeholt, um die Bilder dieses unverhofften Glücksfalls einzufangen.
»Nimm deine Hände von mir, du Scheißkerl! Was muss ich mir eigentlich noch alles von dir bieten lassen?«
Sie stößt ihn von sich und geifert erneut in meine Richtung. »Du weißt natürlich nicht, wen du vor dir hast, oder? Hat er dir nichts von mir erzählt? Ich bin Naomi, seine Muse, seine Geliebte, seine Freundin, seine Gefährtin. Er gehört mir, verstehst du, mir allein! Du bist nichts weiter als eine dumme Göre; eine von denen, die er ein paarmal durchbumst, bevor er genug von ihr hat. Aber ich bin schwanger, hörst du? Ich bekomme ein Kind von ihm, und eine blonde, langweilige Tussi mit Riesentitten wird ihn mir nicht wegnehmen!«
»Naomi!« Nun wird auch Roman laut. Er und seine ›Muse‹ stehen einander gegenüber, Naomi bebend vor Zorn, Roman erstaunlich gelassen. »Es reicht jetzt. Verschwinde und lass mich in Ruhe. Deine Szenen beeindrucken mich nicht mehr; hast du das noch nicht begriffen? Ich lasse mich von dir nicht mehr erpressen.«
Für den Bruchteil einer Sekunde schielt die Frau nach dem Weinglas, und ich fürchte, dass sie gleich danach greifen und seinen Inhalt in Romans Gesicht schütten wird. Stattdessen beginnt sie erneut zu kreischen und mit geballten Fäusten auf ihn loszugehen. Der erste Schlag trifft ihn an der Wange, der zweite an die Brust. Naomi tobt wie eine Wahnsinnige und spuckt wüste Beschimpfungen gegen ihn, während sie weiter auf Roman einschlägt, bis es ihm gelingt, ihre wild herumfuchtelnden Hände zu packen.
»Die Polizei! Ruf doch einer die Polizei! Die Frau ist ja total durchgeknallt!«
Die Forderung kommt von einem der Gäste. Die meisten sind mittlerweile aufgestanden und stehen, gaffend und feixend, in sicherem Abstand um unseren Tisch.
Romans Arme sind, in der grotesken Parodie einer Liebesumarmung, um die Frau geschlungen, doch die Rasende ist kaum festzuhalten.
Auch ich bin vom Tisch aufgestanden. Ich habe keine Lust, noch weiter als Nebendarstellerin in diesem unwürdigen Spektakel zu agieren.
»Gina! Warte doch! Geh nicht!«, fleht Roman.
Meine Stimme ist eisig, als ich ihm antworte:
»Ich bin hier überflüssig. Kümmere dich lieber um deine Lebensgefährtin oder was immer sie ist.« Ich bebe vor unterdrückter Wut. »Ach ja, und noch etwas. Komm nie wieder in meine Nähe, ruf mich nie wieder an. Wenn es etwas zu besprechen gibt, soll das deine Agentin erledigen. Mit dir will ich nichts mehr zu tun haben!«
Mit einer hilflosen Geste versucht mich Roman
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