Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
nichts«, hatte er gesagt. »Aber jetzt brauche ich das nicht mehr. Jetzt bist du ja meine Droge.« Daraufhin hatte er die letzte Zigarette ausgedrückt und danach kein Wort mehr über das Rauchen verloren, als hätte es dieses Laster für ihn nie gegeben. Was für ein eiserner Wille! Als sie ihn nach einigen Tagen deswegen lobte, meinte er nur: »Mit Drogen muß man umgehen können, dann kann man sich jede erlauben.«
»Der junge Mann, der mich damals im Besucherraum erkannt hat, konnte wohl nicht damit umgehen.«
»Tja«, machte Lukas und öffnete die Hände zu einer bedauernden Geste. »Drogentote gibt es in Haftanstalten immer wieder.«
»Wie kommen eigentlich die Drogen ins Gefängnis?«
»Früher haben sie das Zeug angeblich über die Mauer geworfen, und die Häftlinge, die im Außengelände beschäftigt waren, haben es aufgesammelt. Das wurde mittlerweile unterbunden.«
»Und heute?«
»Verschiedene Quellen. Lieferanten, Besucher …«
»Besucher?«
»Wenn ein Häftling seinem Mädchen die Hand unter den Rock schiebt, tut er das häufig nicht nur aus Geilheit, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Durchaus. Aber man wird doch durchsucht.«
»Nur oberflächlich. Bei Häftlingen, die vom Ausgang zurückkommen, schauen sie natürlich in jede Körperöffnung. Aber dir ist das doch wohl erspart geblieben, oder?«
»Ja, doch.« Sie sah Lukas prüfend an. »Darf ich dich was fragen?«
»Klar.«
»Hast du mit dem Tod des jungen Roth etwas zu tun?«
Die Frage schien ihn zu amüsieren, er unterdrückte ein Lachen. »Und wenn es so wäre?« fragte er zurück. »Immerhin verdankst du ihm eine Menge Scherereien.«
»Hast du ihn umgebracht?« insistierte Mathilde. Unwillkürlich hatte sie geflüstert, als sei die Wohnung verwanzt.
Lukas umschloß ihr Kinn mit seiner Hand und zwang sie gegen ihren Widerstand, ihm ins Gesicht zu sehen. Dabei lächelte er und sagte: »Denk dir nicht so viele Räuberpistolen aus, Mathilde.« Ehe sie protestieren konnte, hatte er sie auch schon losgelassen. Aber die Druckstellen seiner Finger spürte sie noch eine ganze Weile.
Am Donnerstag um sechzehn Uhr kamen, wie immer pünktlich, Herr Suong und Leona zur Trainingsstunde. Bevor sie anfangen konnten, mußten sie allerdings erst einmal eine Menge Kartons aus dem Übungsraum schaffen. Mathilde riß der Geduldsfaden.
»Du könntest ein klein wenig Rücksicht auf meine Lebensgewohnheiten nehmen«, beschwerte sie sich nach dem Training in gereiztem Ton. Lukas entschuldigte sich und bat sie um den Autoschlüssel. Er wollte die Kartons sofort wegschaffen. Von dieser Aktion kehrte er erst gegen Mitternacht zurück. Sie fragte ihn nicht, wo er gewesen war, und er ließ sie schmollen. In dieser Nacht kehrten sie einander schweigend den Rücken zu bis sie einschliefen.
Am Freitag stand er vor ihr auf. Als Mathilde aus dem Bad kam, hatte er den Tisch gedeckt und die Zeitung geholt. Neben ihrer Tasse lag eine Rose. Sie war dunkelrot, fast schwarz. Woher er dieses außergewöhnliche Exemplar hatte, wollte er nicht verraten.
Ausnahmsweise war es an diesem Morgen Mathilde, die sich mit drei Minuten Verspätung bei den Garagen einfand, was Leona mit einem anzüglichen Lächeln registrierte. Zum wiederholten Mal versuchte sie, Mathilde intime Details zu entlocken. Wahrscheinlich will sie hören, daß wir wie Tiere übereinander herfallen, dachte Mathilde. Zugegeben, auch sie hatte noch vor kurzem Phantasien gehegt, die in diese Richtung tendierten. Von ihrem zwar innigen, aber doch recht zivilisierten Liebesleben war Mathilde – nun, nicht gerade enttäuscht – aber doch einigermaßen überrascht. Doch falls sie sich solche Gedanken überhaupt eingestand, so folgte diesen unmittelbar der Verweis auf einschlägige Erfahrungen mit Moritz. Anscheinend, so schlußfolgerte Mathilde, waren die Männer, die man liebte nicht unbedingt auch die, mit denen man rauschhaften Sex erlebte. Also schwieg sie sich beharrlich aus, während Leonas Acrylfingernägel auf das Lenkrad trommelten. »Scheiß Ampel, Scheiß Baustelle, wir kommen noch zu spät!«
»Hast du mit deinen Krallen noch nie einen Schüler im Sportunterricht verletzt?«
»Bis jetzt nicht. Aber was glaubst du, warum sie sich so anstrengen?«
»Das also ist das Geheimnis deines Erfolges.«
»Ein Nebeneffekt. In der Hauptsache hoffe ich, daß die Fingernägel vom Gesicht ablenken.«
»Wieso das denn?«
Leona zuckte hilflos die Schultern. »Früher sah ich nur langweilig aus, jetzt bin
Weitere Kostenlose Bücher