Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
immer in der Nähe herum, wobei sie die Vorgänge zuerst skeptisch, dann zusehends amüsiert beobachtete. Bei Mathilde verhielt es sich eher umgekehrt.
»Wozu brauchen wir einen Karbidkocher?«
»Du willst doch keine Käfer essen, oder?«
Lukas dankte dem älteren Herrn für seine Hilfe und setzte sich ans Steuer.
Eine steile Falte bohrte sich zwischen Mathildes Augen. »Was hast du vor?«
»Schau nicht so«, lachte er. »Du wirst es lieben!«
»Bestimmt«, seufzte Mathilde.
Sie holte ihre Wanderschuhe aus dem Keller und suchte das Allernötigste an Kleidung aus dem Schrank zusammen.
»Es ist nur für eine Nacht«, sagte er. »Was willst du mit zwei Blusen und vier Pullovern? Ein Jogginganzug und eine Regenjacke reichen aus.«
Er gab sich ritterlich und verstaute ihr Gepäck in seinem großen Rucksack.
»Wozu brauchst du dieses Riesenmesser?« fragte Mathilde.
»Das wirst du sehen.«
Eine Stunde später brachen sie auf. Es ging eine Weile über die A2. An der Ausfahrt Rehren/Auetal bog Lukas ab, und nun fuhren sie gemächlich über Landstraßen. Die Sonne drängte sich nun immer öfter zwischen den Wolken hindurch, und nach Mathildes Geschmack hätte es ewig so weitergehen können. Aber dann, Mathilde hatte längst jede Orientierung verloren, wurden die Straßen zu Sträßchen, und es folgten Feldwege und schließlich ein Holperweg, der in der Mitte mit hohem Gras bewachsen war. Hinter einer halb zerfallenen Holzhütte parkte Lukas den Wagen.
»Weiter kommen wir damit leider nicht«, stellte er fest. »Da bräuchte man einen Geländewagen.«
»Es tut mir leid«, sagte Mathilde betrübt. »Ich hätte einen Jeep kaufen sollen. Ich habe nicht darüber nachgedacht, der Porsche hat mir einfach gefallen. Aber man kann mit Lauda reden, wenn du lieber …«
»Nein, der Wagen ist wundervoll«, unterbrach sie Lukas. »Es ist völlig in Ordnung so. Wir wollen ja ein wenig Bewegung haben, nicht wahr?«
»Jaja«, stimmte ihm Mathilde wenig überzeugt zu. »Wo sind wir hier eigentlich?«
Er machte eine ausladende Geste. »Das ist der Süntel.«
»Ah, ja.« Davon hatte Mathilde schon gehört. Kleines Mittelgebirge zwischen Bad Münder und Hessisch Oldendorf, ein Ausläufer des Weserberglands. Lukas lud sich den Rucksack auf die Schultern, machte das Verdeck des Wagens zu und federte los, als hätten weder der Rucksack noch er selbst ein Gewicht. Mathilde mußte nur einen Schlafsack und eine Isomatte tragen.
»Haben wir es eilig?« keuchte sie nach einer Stunde.
»Bin ich zu schnell?«
»Nein, ich frag nur so. Zum Spaß.«
Er drosselte das Tempo. »Was trainierst du eigentlich mit diesem Herrn Suong?«
»Von allem ein bißchen. Selbstverteidigung, Karate, Jiu-Jitsu.«
»Aber kein Ausdauertraining.«
»Ich geh hin und wieder joggen.«
»Das ist noch was anderes.«
»Und woher hast du deine Kondition?«
Er winkte ab. »Mich trägt momentan nur der eiserne Wille. Die erste Woche, als ich allein unterwegs war, dachte ich, ich falle nach einer Stunde um.«
Sie folgten einem feuchten Waldweg, der in Kurven bergauf führte. »Schade, daß es noch keine Pilze gibt«, sagte Lukas.
Sie hatten die Anhöhe erklommen und folgten von hier einem sonnigen Höhenweg am Waldrand entlang. Man konnte weit ins Land schauen. Mathilde liebte es, in die Ferne zu schauen. Deshalb fuhr sie so gerne ans Meer.
Sie waren stehengeblieben, und Lukas deutete nach Westen. »Porta Westfalica. Bei klarer Sicht sieht man bis in den Teutoburger Wald«, erklärte er.
»Du warst schon öfter hier?«
»Ja. Es ist schön, findest du nicht?«
Mathilde nickte. Ja, schön war es hier. Und einsam. Stellenweise wirkte der Wald völlig verwahrlost.
Leichen verschwinden am schnellsten im Freien. Hör auf mit dem Unsinn!
»Was hat er dir vorhin erzählt, dein Freund Lauda?« fragte Lukas unvermittelt.
»Daß ihn seine Gutmütigkeit ruiniert.«
»Ich meine, ich hätte meinen Namen gehört.«
»Er glaubt, daß du ihm vor zehn Jahren mal einen Jeep verkauft hast.«
»Ach ja? Kann sein.«
»Du hast dich nicht an ihn erinnert?«
»Ganz vage. Allerdings hatte ich nicht erwartet, daß er sich erinnert, darum habe ich nichts gesagt. Der Jeep war ein toller Wagen, aber er brauchte einfach viel zuviel Sprit.«
Sie gingen weiter. Er benannte die Bäume und die Vögel, die sie zu sehen bekamen. Am Rand einer Lichtung machten sie auf einem Stoß dicker, aufgeschichteter Buchenstämme Rast. Während sie schweigend und regungslos dasaßen, konnten sie
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