Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
lächelte, ja, die Leute freuen sich, wenn sie sich treffen, du weißt ja, wie das ist, und meine Finger sahen so weiß auf seiner Hand aus, fast strahlend.
Schau mal, sagte ich, und er blickte unsere Hände an und sagte, Joséphine war auch weiß, wir waren wie Tag und Nacht, und er stand auf und suchte etwas in den Schubladen und holte eine alte Schuhschachtel heraus, die mit Gummis verschlossen war, nahm die Gummis ab und wühlte in der Schachtel herum, lachte überrascht, und dann zeigte er mir ein Foto, als Beweis für seine Worte, und beide waren zu sehen, ineinander verflochten wie Kletterpflanzen, oder besser, er war der Stamm, und sie wickelte sich um ihn, und beide waren nackt, obwohl sie es fast schafften, daß einer die Nacktheit des anderen verbarg, und der Unterschied in ihren Farben war wirklich beeindruckend, fast wie die Karos auf einem Schachbrett, und sie lachten in die Kamera, stolz auf ihre Nacktheit, jung und schön, seine Brust verbarg ihre Brüste, die Geschlechtsteile hatten sie aneinandergedrückt.
Ich war so begeistert, ich hätte das Foto stundenlang betrachten können, es enthielt so viel Material für mich, ein Überfluß, der mir in den Schoß fiel, sein nackter Körper, seine Jugend, ihr Körper, ihre Liebe. Ich wußte gar nicht, womit ich anfangen sollte, mit den dunklen Haaren, die seinen großen Kopf bedeckten, mit dem offenen Lächeln, den weißen Zähnen, mit dem fröhlichen Lachen in den Augen. Er sah jung aus, jünger, als ich heute war, schön, aber lange nicht so anziehend wie heute, ein bißchen dümmlich mit seinem glücklichen Lächeln, und ich dachte, wenn ich ihn damals getroffen hätte, hätte ich mich nicht in ihn verliebt, aber sie, sie sah so liebenswert aus, daß ich richtig erschrak, mit einer Fülle blonder Haare und strahlenden Augen, mit einer kleinen geraden Nase und blühenden Lippen, und auch ihre Nacktheit, die sich zart von seiner abhob, war so schön, daß es weh tat, wie kurz war die Zeit ihrer Blüte gewesen.
Ich spürte, wie er, hinter mir stehend, das Bild betrachtete, und ich fragte still, war sie wirklich so schön, und hoffte zu hören, nein, das Foto übertreibt, denn ihre Schönheit bedrückte mich, und er sagte, sogar noch schöner, sie war wunderbar, und er wollte mir das Bild aus der Hand nehmen, doch ich hielt es fest, und beide gaben wir nicht nach, fast wäre es zerrissen, und schließlich sagte ich, warte, laß es mich noch ein bißchen betrachten, und ich sah ihre Beine, die ineinander verflochten waren, stark und trotzdem weich, und ich sagte, wie konntest du sie betrügen, sie sieht so großartig aus, und noch bevor ich den Satz zu Ende gesprochen hatte, wußte ich, daß ich einen Fehler gemacht hatte.
Mit einem Ruck riß er mir das Foto aus der Hand und legte es in die Schachtel zurück und band sie wieder mit allen Gummis zu, mit rabiaten Bewegungen, dann nahm er mir grob den Teller und das Bierglas weg, das ich noch nicht ausgetrunken hatte, und sagte mit schwerer Stimme, ich habe sie nicht betrogen, ich habe sie nie betrogen, hörst du, und ich erschrak, konnte aber den Mund nicht halten und sagte, mir kannst du nichts vormachen, schließlich hast du sie auch mit mir betrogen, hast du das vergessen? Er wurde über und über rot und schwenkte wütend das Bierglas in meine Richtung und schrie, was redest du für einen Blödsinn, was weißt du überhaupt, ich habe sie nie betrogen, ich war ihr bis zur letzten Sekunde treu, und sie wußte das! Mit welchem Recht wagst du es, mich zu beschuldigen, wer bist du überhaupt, daß du mir so etwas vorwerfen darfst? Und mit aller Gewalt knallte er das große Glas auf die Marmorplatte neben der Spüle, und es zersprang in winzige Scherben, wie konnte ein so riesiges Glas in so kleine Scherben zerspringen, ein riesiges Glas wie aus einem Bierkeller ergab sich mit einer solchen Leichtigkeit.
Ich sah, wie er erstaunt seine Hände anstarrte, sie bewegte, als blättere er in einem Buch, ich sah es mit einem Blick über die Schulter, denn ich war schon nicht mehr dort, wie gehetzt lief ich zum Schlafzimmer und schloß die Tür hinter mir, zitternd vor Angst, verzweifelt, enttäuscht, und ich begann im Koffer herumzuwühlen, und vor lauter Anspannung fand ich nichts, ich wußte kaum, was ich suchte, einfach etwas zum Anziehen, aber alles war nur Unterwäsche, mit der man unmöglich auf die Straße gehen konnte, und mir wurde schwarz vor den Augen, ich begann zu fluchen, was hast du dir bloß gedacht,
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