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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Mülleimer geworfen, sondern an seinem Platz gelassen und ihm einen anderen Auftrag gegeben, und ich zerknüllte diese bösen Worte, die doppelt böse zu mir zurückgekommen waren, und ging ins Schlafzimmer, versuchte, Zeugen seines Kummers zu finden, Anzeichen seiner Schwermut, Spuren seines armseligen Zustands.
    Unsere Decken lagen aufgeschüttelt auf dem Bett, als lägen unsere leblosen Körper noch darunter, und ich schaute zur Sicherheit nach, aber nein, wir waren nicht da, ich bemerkte nur einen warmen fleischigen Geruch, gemischt mit dem Duft blasser Körper, ich sah den offenen Schrank und sein halbleeres Fach, seine Umhängetasche fehlte, kein Zweifel, er war ohne mich in unsere Flitterwochen nach Istanbul gefahren, und wie lächerlich das auch klang, ich war ein wenig beleidigt, warum war er nicht hiergeblieben, um zu trauern, wie konnte er ohne mich fahren, nicht einmal nach mir gesucht hatte er, wie der Mann der Nachbarin, er hatte keinerlei Anstrengung unternommen, mich zu finden, schließlich war ich nicht so weit entfernt gewesen, kaum eine Viertelstunde zu Fuß. In der Küche sah ich die Tasse, aus der er vor seiner Abreise Kaffee getrunken hatte, sie war leer, er hatte nicht einen Schluck als Erinnerung für kommende Generationen zurückgelassen, im Kühlschrank war so gut wie nichts, Brot gab es natürlich auch nicht, ich fand keine Anzeichen von Trauer oder von besonders heftigen Gefühlen, es war einfach eine Wohnung, die man für einige Tage verlassen hat, in der das Leben aufgehört hat und nie mehr weitergeführt werden kann.
    Weil mir alles so vorübergehend vorkam, hatte ich noch nicht mal Lust, meine Sachen in den Schrank zu räumen, ich kippte den Inhalt des Koffers aufs Bett, füllte damit Jonis Seite ein bißchen aus, legte die dicke Decke über meine Reizwäsche, ich hatte sogar Angst, mich zu setzen, als sei es mir verboten, Platz zu nehmen, es ist nicht meine Wohnung, dachte ich, ich bin nur gekommen, um einen Blick auf mein früheres Leben zu werfen, um ein bißchen darin herumzulaufen, und bald wird es aus sein mit der Höflichkeit, und man wird mich hinauswerfen. Ich hatte das Gefühl, für alles eine Erlaubnis zu benötigen, nur daß ich nicht wußte, von wem, eine Erlaubnis, die Toilette zu benutzen, das Telefon, und ich schmeichelte mich bei den gelben Wänden ein und nahm das Telefon, aber ich hatte seine Nummer nicht, deshalb suchte ich im Telefonbuch, überrascht, daß ich mich überhaupt noch an das Alphabet erinnerte, mir war, als käme ich von einem Ort, wo es überhaupt kein Alphabet gab, und tatsächlich war ich einen Moment lang durcheinander und wußte nicht, was zuerst kam, r oder s, Ross hieß der Dekan, doch dann hörte ich seine Stimme mit dem starken englischen Akzent, autoritär, aber sehr menschlich, und ich entschuldigte mich für die Störung, und dann entschuldigte ich mich dafür, daß ich nicht zu der Verabredung gekommen war, meine Mutter sei gestorben, sagte ich plötzlich und fing an zu weinen, überrascht über mich selbst, und ich mußte die Beerdigung vorbereiten, und er drückte mir sofort sein Beileid aus, und ich wußte nicht mehr, wie ich aus dieser Sache rauskommen sollte, und sagte, es war nicht meine richtige Mutter, sie war meine Stiefmutter, die Frau meines Vaters, genauer gesagt. Er schwieg einen Moment lang, doch dann fuhr er fort, mir sein Verständnis zu zeigen, aber trotzdem fügte er hinzu, ich möchte Sie in einer so schweren Zeit nicht bedrängen, und wir werden selbstverständlich die Situation in Betracht ziehen, aber Sie müssen wirklich bald Ihren Vorschlag vorlegen, sonst ist die Stelle besetzt, und ich sagte, ich möchte Sie treffen, ich werde die Schiwa unterbrechen, um Sie zu treffen, und er sagte, um Gottes willen, nein, so viel Zeit hat die Sache noch, und ich beharrte, doch, doch, sie ist nur meine halbe Mutter, deshalb reicht eine halbe Schiwa, und dann verabredete ich mich mit ihm für den folgenden Morgen um halb zehn, und erst als ich wußte, was ich am nächsten Tag tun würde, konnte ich anfangen, an Arie zu denken.
    Ganz langsam näherte ich mich diesem Gedanken, vorsichtig, wie man sich einem Ort nähert, an dem ein Unfall passiert ist, weil man nicht weiß, was einen erwartet, ob einem, wenn man verkrampft die Tür des ausgebrannten oder zerquetschten Autos aufmacht, nicht eine verkohlte Leiche entgegenfällt, und ich dachte voller Trauer an ihn, ohne den Haß, den ich vorher empfunden hatte, wie man an jemanden

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