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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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Krankheit auf mich.
    Ich stand auf, erkundigte mich, wo die Toilette sei, und ging hinaus, und dann stand ich vor dem Spiegel, füllte meine Hand mit flüssiger Seife und wusch sie immer wieder mit heißem, fast kochendem Wasser, wie war das möglich, daß dies seine Frau war, die Frauen von Liebhabern sollten Neid erwecken, kein Mitleid, aber plötzlich tat auch er mir so leid, das war es also, was von seiner Frau übriggeblieben war, und irgendwie strahlte das auch auf mich aus, dieses Schicksal, das Leben beenden, ohne Kinder zu haben, aber mit den Maßen eines Kindes, mit der Hand eines Neugeborenen und den Augen einer Maus. Ich dachte an die vielen Male, wo er nachmittags zu mir gesagt hatte, du mußt gehen, meine Frau kommt gleich von der Arbeit zurück, oder wenn er mich morgens wegschickte, weil er sich angeblich mit ihr in einem Café verabredet hatte, so benutzte er sie bis zum letzten Augenblick, um seine Privatsphäre zu schützen, während sie hier lag. Wie oft hatte ich mir vorgestellt, wie sie die Wohnung betrat, die ich gerade verlassen hatte, müde von der Arbeit, aber zurechtgemacht und mit der Selbstsicherheit einer Frau, die weiß, wo ihr Platz ist.
    Ich hörte, wie die Tür zögernd geöffnet wurde, ich schließe Klotüren nie ab, aus Angst, ich könnte für mein ganzes weiteres Leben eingeschlossen bleiben, und sein Gesicht schob sich herein, noch immer von dem rosafarbenen Licht bedeckt, danach erschienen die breiten Schultern und der ganze große Körper, er beeilte sich, die Tür hinter sich zu schließen, vermutlich traute er Schlössern mehr als ich, und so blieb er einen Moment lang stehen, an die Tür gelehnt, betrachtete verzweifelt den kleinen Raum, den Rollstuhl mit dem großen Loch in der Mitte und die Krücken daneben, außerdem alle möglichen Schläuche, die auf dem Boden herumlagen wie künstliche Eingeweide, und dann schaute er mich an, und mit einem entschuldigenden Lächeln sagte er, ich muß pinkeln.
    Im Spiegel über dem Waschbecken sah ich seinen Rücken und hörte das Plätschern, und der Raum füllte sich mit scharfem, abstoßendem Uringeruch, bis ich mir noch einmal Seife in die Hände goß und sie an meine Nase hielt, und ich dachte, jemand müßte ihm sagen, daß er mehr Wasser trinken soll, das ist wirklich nicht gesund, so ein Urin, aber wer sollte es ihm sagen, wenn seine Frau todkrank war, und er drückte auf die Wasserspülung und drehte sich zu mir um, mit dem Schwanz aus der Unterhose, und ein großer, dunkler, fast schwarzer Tropfen Urin hing noch dran, und ich dachte, warum wischt er ihn nicht weg oder schüttelt ihn ab, und ich konnte nicht aufhören, diesen Tropfen anzustarren, der nicht von selbst runterfallen wollte, im Gegenteil, er schien an dem Glied zu kleben wie Harz an einem Baumstamm und ebenso fest zu sein.
    Vor lauter Waschen waren meine Hände schon so rot geworden wie die einer Waschfrau, aber ich wollte den Hahn nicht zudrehen, weil ich Angst vor der Stille hatte, die plötzlich eintreten würde, also nahm ich noch einmal Seife und wusch mir auch die Arme, vielleicht waren ihre Bazillen schon armaufwärts gekrochen, und im Spiegel sah ich ihn langsam näher kommen, und mein Mund öffnete sich verwirrt, denn ich fühlte hinter mir, wie er mir den Rock hochschob.
    Ich dachte, ich hätte dir etwas beigebracht, sagte er enttäuscht, als er meinen Slip sah, und ich bewegte mich zur Seite, so daß sein großer Kopf den ganzen Spiegel ausfüllte und ihn mit seinen schweren Augen verdunkelte, und fragte, warum hast du mir das nicht gesagt?
    Weil dich das nichts angeht, sagte er und drehte mit einem harten Griff den Wasserhahn zu, ohne sich die Hände gewaschen zu haben. Sie wird wieder in Ordnung kommen, fügte er sofort hinzu, um sich selbst Mut zu machen oder mir, und ich drehte mich zu ihm um, der dunkle Tropfen war schon auf die Hose gefallen und aufgesaugt worden, ein dunkler, immer größer werdender Fleck, und dann hob er mich plötzlich hoch und setzte mich auf das Waschbecken, wie man ein Kind hochhebt, um ihm den Po abzuwaschen, und das Waschbecken war kalt und der undichte Wasserhahn tropfte mir in die Kleidung, und er bückte sich und legte seinen Kopf auf meine Schenkel, als gäbe es da ein Kissen, das nur auf ihn gewartet hätte, und schloß die Augen und begann schwer zu atmen, und ich betrachtete traurig die grauen Haare, die Kopfhaut, die durchschimmerte, voller Schuppen, und dachte wieder an seine Augenbrauen, die zwischen meinen

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