Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie
von Sekunden, seht, das Feuer hat ihn verschlungen.
Hat die Katastrophe von Thera wirklich die stärkste Großmacht gestürzt, ist die schreckliche Welle wirklich bis dorthin gerollt, Wasser, das sich berghoch auftürmte und sich mit der Geschwindigkeit eines Blitzes vorwärts bewegte, Wolkensäulen aus Feuer, Blut und Dunkelheit, ein Schlag nach dem anderen, und bis heute findet sich eine vulkanische Aschenschicht auf dem Grund des Nils, ist dies der Beweis, dass der Untergang Theras durch Naturkräfte auch den Untergang Ägyptens zur Folge hatte? Eine Naturkatastrophe als Ursache für den wundersamen Sieg Israels durch die Hand seines Gottes? Und ist der Versuch, das Wunder zu verifizieren, eine Verleugnung des Wunders? Es scheint, als gehörte all das zu meinem vorigen Leben und berührte das neue Leben nicht, das sich glänzend und golden darstellt, wie der Glanz im Osten vor dem Sonnenaufgang, wenn sich das Licht bereits am Horizont zeigt.
Mit hochmütiger Gleichgültigkeit versuche ich, die Geschichte Theras zu rekonstruieren, als handelte es sich um eine schmerzliche Kindheitserinnerung, die ich immer wieder heraufbeschworen habe bis zum Überdruss, versuche, das traurige Kapitel zu Ende zu bringen, denn es reicht mir, die Vormittage mit trockenen Ausgrabungsberichten vor dem Computer zu verbringen, ich sehne mich schon nach dem genau abgesteckten Rechteck Erde, dessen Wände mit Sandsäcken abgestützt sind wie im Schützengraben, nach der vollkommen wirklichen und trotzdem abstrakten Beschäftigung, nach all den Werkzeugen, dem endlosen Staub und dem Klopfen der Hämmer, nach dem Lärm der Bulldozer und dem Schimmelgeruch, der aus der Erde aufsteigt und in der klaren Luft hängen bleibt. Dieses ganze Jahr habe ich gehofft, zu keiner Ausgrabung gerufen zu werden, und jetzt warte ich ungeduldig darauf, denn der Winter geht zu Ende, verschwindet langsam von der Erde, wird in schmale Stücke gerissen, und zwischen ihnen blitzen die unterirdischen Triebe der noch nackten Bäume.
Eine fieberhafte Anspannung erfüllt mich in den letzten Wochen des Winters, die Gewissheit der Veränderung, die auf mich zukommt, ich habe keine Möglichkeit, ihr auszuweichen, ich will ihr auch nicht ausweichen, denn der gedämpfte nagende Hunger, der Schatten allen Verliebtseins, wächst und bekommt die klare Form eines gemeinsamen Lebens, man wird die wenigen Stunden Freizeit nicht mehr auf zwei Wohnungen verteilen müssen, denn inzwischen haste ich von einer Wohnung in die andere, wie ein Kind, dessen Eltern sich getrennt haben, ich passe mich bei meinem Hin und Her den Wanderungen Gilis an, den Wanderungen Majas und Jotams, das sind die Wanderungen der heutigen Nomaden, die Kinder geschiedener Eltern, die die Herden ihrer Spielsachen mittags von Haus zu Haus bringen, von der Mutter zum Vater und wieder zurück. Für mich selbst bleiben nur die freien Tage, die immer weniger werden, denn Amnon ist plötzlich sehr beschäftigt, erstaunlich beschäftigt, und Michal, sogar die Buchstaben ihres Namens wecken in mir ein Gefühl der Bedrückung, Michal leidet fast jeden Tag an Migräne und drückt sich vor ihren Kindern, es sieht so aus, als hätten sich die beiden gegen uns verbündet, und zwischen all unseren Aufgaben suchen wir hastig nach Nähe, beklagen schon im Voraus die erneute notwendige Trennung, und es scheint, dass ein Tag nach dem anderen in dem funkelnden Punkt eines hastigen Treffens gipfelt, und nur das Bedürfnis, all diese Funken zu sammeln, treibt uns von einem Moment zum nächsten.
Meine Wohnung kommt mir plötzlich wie ein Durchgangslager vor, ein Rollladen im Wohnzimmer ist kaputtgegangen, und ich mache mir nicht die Mühe, ihn zu reparieren, der Wasserhahn tropft, die Halogenlampe ist durchgebrannt, und ich habe das Gefühl, als sei das alles schon nicht mehr meine Sorge, sondern die des Menschen, der nach mir hier wohnen wird, denn Gili und ich werden endlich in die neue Wohnung ziehen, die uns schon erwartet, und dort werden sich alle Funken vereinen, dort werde ich mich nach der größten Nähe nicht wieder von ihm trennen müssen, dort werde ich nicht wählen müssen zwischen der Zeit mit ihm und der Zeit mit Gili, unter einem Dach werden meine beiden Lieben leben, und das Bedürfnis danach ist offenbar so einfach zu erfüllen, es ist nur ein Umzugswagen zu bestellen, das Sofa und die Sessel einzuladen, die Kleider, das Geschirr und die Bücher, Gilis Bett, sein Schrank und auch die drei Nachtlichter, zu
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