Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
inzwischen den Parkplatz erreicht, wo Robert die Tür zum Beifahrersitz weit für Sarahs Mutter öffnete. Elisabeth glitt auf ihre geräuschlose, zierliche Art hinein, klappte einmal die Sonnenblende auf, wo ein kleiner Spiegel darauf wartete, dass man sich seiner bediente. Elisabeth tat das ohne zu zögern, ordnete ihr schweres, kinnlanges Haar, das durch eine Wellenpracht beeindruckte, die noch nie einen Friseur gebraucht hatte.
Früher einmal war sie brünett gewesen, inzwischen aber längst weißhaarig – eine weitere Tatsache, die sie klaglos akzeptiert hatte, denn es ließ sie wundervoll aussehen.
Robert verstaute die Reisetasche auf dem Rücksitz, um dann hinter den Lenkrad Platz zu nehmen. Gleichzeitig verspürte er wenig Lust, das Gespräch dort fort zu setzen, wo sie vor ein paar Minuten stehen geblieben waren.
Er pfiff leise vor sich hin, während er den schwarzen Morris aus der Parklücke auf die Straße manövrierte, über die sie in einer knappen halben Stunde zu Hause bei Sarah ankommen würden.
Elisabeth konnte unangenehm hartnäckig sein, wenn es um Dinge ging, die ihr wichtig waren. Sobald sie merkte, dass ihr Gesprächspartner das Thema wechseln oder gar ohne jedes weitere Wort fallen lassen wollte, dann stieß er damit bei ihr auf keinerlei Verständnis.
„Wir haben uns diese Situation nicht ausgesucht“, bemerkte Robert deshalb nach einer Weile lakonisch. „Natürlich ist unser Leben dadurch nicht einfacher geworden. Aber ich weigere mich nun mal, auf Sarahs Kosten zu leben. Und als wir an eben dem Punkt angekommen waren, an dem wir entscheiden mussten, wie wir weitermachen wollten, ohne dass unsere Liebe darunter litt, war auf einmal Paul Cornelius da und bot mir an, in seiner Firma die Position des Geschäftsführers zu übernehmen.“
Elisabeth sah ihn prüfend von der Seite an. „Er ist ein Spekulant, Robert, ist dir das klar?“
Robert verlor nicht eine Sekunde lang seine Gelassenheit. „Natürlich weiß ich das. Er macht damit sehr viel Geld. Das mag man sehen, wie man will – er ist nur Einer von vielen in diesen anstrengenden Zeiten.“
„Du solltest dich nicht auf so riskante Sachen einlassen“, fand Sarahs Mutter vorwurfsvoll. „Gregorius…“
„Cornelius“, korrigierte Robert sie mit einem kleinen, amüsierten Lächeln. Dass Elisabeth sich diesen Namen nicht merken konnte, beziehungsweise gar nicht merken wollte, demonstrierte sie gerne, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergab. Es war ihre Art von Protest gegen einen Mann, den sie vom ersten Moment als absolut unsympathisch und unerträglich wahrgenommen hatte.
„Meinetwegen also Cornelius“, plötzlich war sie gereizt. „Egal, wie er heißt, er ist ein Spekulant, ein Hasardeur, einer, der höchstwahrscheinlich von morgens bis abends nur an Geld denkt. Geld, Geld, Geld! Als ob das die Antwort auf alle Fragen wäre.“
„Nicht auf alle, aber auf die meisten“, erwiderte Robert trocken. Er amüsierte sich wie so häufig über Elisabeths Angewohnheit, zwischen ihrem Wiener Dialekt und der typisch norddeutschen Sprache hin und her zu balancieren. Also stellte er so sachlich wie möglich klar:
„Elisabeth, Hasardeure nennt man jemand wie Paul Cornelius heutzutage nicht mehr. Das sind Zocker. Ganz einfach Leute, die an der Börse zocken, bis nichts mehr geht.“
Sie war empört. „Und dazu braucht er dich?“
„Nein. Mein Name und meine geschäftliche Historie sorgt für eine gewisse Seriosität seiner Firma, verstehst du? Ich habe ihn mit Leuten zusammengebracht, die früher zu meinen besten Kunden gehörten und deren Ruf in ihrer Branche erstklassig ist. Dafür braucht er mich.“
„Du bist also eine Art Aushängeschild für ihn, mit dem er protzen kann, weil dieses Schild keinen Kratzer hat?“
„Ja, das könnte man sagen. Mir traut keiner was Böses zu“, fasste Robert zusammen. „So ist das nun mal, wenn man einen makellosen familiären und geschäftlichen Background hat.“
„Ja, ja“, Elisabeth wurde wehmütig. „Ehrlichkeit währt eben doch immer noch am längsten.“
Dazu sagte Robert nichts. Er wollte Sarahs Mutter nicht die allerletzten Illusionen rauben.
Sie schwiegen, während Robert den Morris an eine Verkehrsampel in der Innenstadt heran rollen ließ. Ohne den Blick von der rot leuchtenden Ampel zu nehmen, wechselte Elisabeth plötzlich das Thema: „Was schenkst du Sarah zum Geburtstag?“
Robert hätte kaum irritierter reagieren können. „Wie? Was ich Sarah schenke? Warum
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