Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
niemals Kinder haben würde, war sie sehr still, fast stumm gewesen, brach jedoch nicht wie wahrscheinlich manche andere Frau – schluchzend zusammen.
„Ja, klar“, sagte sie endlich. “Das stimmt. Dass du dich daran erinnert hast… Danke dir, Robert.“
„Freust du dich ein bisschen?“
„Sehr, Robert. Sehr sehr. Danke. Vielen Dank.“ Ihre Stimme war nun ganz ruhig, vernünftig. „Entschuldigst du mich für ein paar Minuten bei den anderen? Ich möchte mich etwas frisch machen, ehe ich mit dem Geschenkemarathon beginne, ja?“
Schnell und kerzengerade ging sie die Stufen hinauf in ihr Schlafzimmer. Dort lehnte sie sich gegen das Fenster, das Kuvert mit den Konzertkarten noch immer in der Hand.
In qualvoller Langsamkeit blätterte sie dort in den Seiten ihrer Erinnerung, sah noch einmal jene unvergessliche Szene:
Der von Regen schwere Tag, das Juweliergeschäft, die schwarzen Perlen, die aus dem Schaufenster verschwunden waren. Dann, gänzlich unerwartet, Robert im Laden. Robert, dessen Profil sie ganz deutlich und zweifelsfrei erkennen konnte, als er sich vorbeugte, um die Halskette zu nehmen und gegen das Licht zu halten.
Sarah erinnerte sich an jedes Detail.
An das Gefühl, das sie durchzuckte, als sie die Wahrheit zu erkennen meinte.
An den Rhythmus ihres Herzschlages, als sie nach Hause rannte, dieser Rhythmus, den sie so lange nicht mehr gespürt und der sie bis vor ein paar Minuten immer noch begleitet hatte.
Jetzt allerdings fühlte sie nur noch Verlorenheit.
Unwirklichkeit.
Schmerz.
Sie schloss die Augen, um sie gleich wieder zu öffnen. Ganz langsam atmete sie ein, dann aus. Versuchte, nachzudenken, dachte aber eigentlich an gar nichts.
In ihrer Realität gab es in diesen Minuten keinen Unterschied zwischen Denken und Nichtdenken.
Sarah vermochte zwischen dem Einen und dem Anderen nicht mehr zu unterscheiden. Zwischen dem, was war, und dem, was nicht war… Und die ganze Zeit blickte sie aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen.
In diesem Augenblick rollte ein großes, goldfarbenes Auto auf den Parkplatz direkt gegenüber des Hauses, wo Sarahs Geburtstag auf dem Dachgarten gefeiert wurde.
Ein riesiger, schwerer Mann in einem schwarzen Ledermantel stieg aus, blickte sich um nach jemand, der noch im Wageninnern saß, sagte etwas und dann erst öffnete sich die Tür zum Beifahrersitz. Ein Fuß, ein schmaler Schuh, rot, mit Stilettoabsatz, schlängelte sich heraus, landete auf dem Erdboden. Dem ersten Fuß folgte ein zweiter, schlanke, schöne Beine wurden sichtbar, schließlich ein kurzer Rock aus knallrotem Leder…
„Alles in Ordnung, Liebes?“ Elisabeth schaute zur Tür herein. „Es sind noch einige Gäste gekommen. Zum Beispiel Julian. Er sieht etwas mitgenommen aus, finde ich. Aber egal. Es gibt Schlimmeres, denn soeben ist Cornelius eingetroffen. Er hat seine Tochter mitgebracht. Ich wusste gar nicht, dass der Mann eine Tochter hat. Irgendjemand nannte einen Namen, also, ich hab´ schon wieder vergessen, wie sie heißt. Lilly oder Cindy oder so… Jetzt warten alle auf deinen großen Auftritt. Kommst du?“
Sarah drehte sich um und legte im Vorbeigehen den Briefumschlag mit den Konzerttickets in ein Regal. „Ja, ich komme“, sagte sie halblaut, um dann mit ihrer Mutter zusammen zu den Gästen zurück zu kehren.
Plötzlich schien die Sonne fast unerträglich hell.
Sarah musste für eine Sekunde ihre Hand über die Augen legen, um überhaupt etwas sehen zu können. So entdeckte sie endlich Robert, der sich etwas am Rande der ausgelassenen Geburtstagsfeier, gegen das Geländer der Dachterrasse gelehnt, mit Paul Cornelius unterhielt. In dessen Windschatten stand eine junge Frau, deren braunes langes Haar bei jeder Bö wehte wie ein Vorhang, den jemand vergessen hatte, zu schließen.
Sarah erkannte außerdem einen schreiend roten Lederrock, der sehr weit oberhalb der Knie endete, darüber eine tief ausgeschnittene, knapp sitzende Weste aus schwarzem Samt sowie lange, schöne Beine in roten Pumps mit gefährlich hohen Stilettoabsätzen. Da bewies jemand sehr viel Mut angesichts des kühlen Aprilwetters, fasste Sarah zusammen, ohne ein kleines belustigtes Lächeln verbergen zu können.
In diesem Augenblick drehte Robert sich einmal kurz um, sah Sarah, die noch zögerte, näher zu kommen, und streckte eine Hand nach ihr aus.
„Meine Liebste, Paul hat seine Abneigung gegen Geburtstagsfeste – egal, wie alt jemand wird – überwunden und ist doch da.“
„Wie – nett“,
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