Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
Papa, ich bin eben nicht mehr die, die ich mal war. Ist das so schwer zu begreifen? Menschen ändern sich, verstehst du?“ Unvermittelt wurde sie ernst. „Ich möchte mir darüber klar werden, was ich eigentlich vom Leben will, verstehst du?“
„Dauert das noch lange?“ brummte ihr Vater.
Nein, es dauerte nicht mehr lange.
Eine Woche später wusste Kitty, was sie vom Leben wollte.
Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitzschlag, als sie mit einem wichtigen Fax hinter ihrem Vater her rannte, der vor ein paar Minuten über den Korridor davon geeilt war, um noch halbwegs pünktlich zu einem Termin nach Schwerin zu kommen.
In diesem Moment flog die gläserne Eingangstür auf, eine junge Mitarbeiterin eilte neben einem großen, schlanken Mann her, der telefonierte, was seine Begleiterin auf einem Notizblock stenografierte.
Kitty sah die beiden schnell auf sich zukommen. Der Mann hatte kurzes, graues Haar, er streifte Kitty nicht einmal mit seinem Blick, nahm sie gar nicht wahr und dennoch fühlte sie, als er an ihr vorbei ging, wie seine Ausstrahlung, seine Wärme einer mächtigen Woge gleich zu ihr herüber flutete.
Die Zeit stand still. Kitty konnte ihren Herzschlag bis in die Fingerspitzen rasch und heftig fühlen. Endlich schien sie wieder zu leben, fühlte sich von aller Not und allen Qualen befreit, ja, geradezu erlöst.
„Wer das war?“ wiederholte Paul Cornelius später erstaunt, als er mit seiner Tochter telefonierte. „Das war Robert. Unser Geschäftsführer. Wir brauchen einen integeren Mann an der Spitze unserer Geschäftsleitung. Und wenn einer integer ist, dann Robert Debus.“
Robert…
Kitty brauchte nicht mehr zu hören.
Er hieß Robert und er war der Mann, auf den sie jahrelang gewartet, den sie gesucht und nach dem sie sich verzehrt hatte. Und plötzlich war er da. Tauchte mit seinen unvergesslichen dunkelblauen Augen aus dem Nichts auf, eilte an ihr vorüber, ohne sie zu sehen, aber es genügte ihr völlig, dass sie ihn sah.
Innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde entschied Kitty, dass Robert Debus ihr von irgendeiner höheren Macht geschickt worden war.
Robert… Robert… dachte sie mit einem leisen seligen Lachen.
Siehst du mich kommen?
Nein, er sah nichts.
Er wusste nichts. Er ahnte nicht einmal etwas. Nichts von Kitty Cornelius und von dem, was sie für sie beide vorgesehen hatte.
Aber sie wusste es. Sie kannte dieses Gefühl, die Wonne des Begehrens, die Qual, die jedes Leben erneuerte – doch noch durfte sie nicht daran denken.
Sie würde noch eine kleine Weile wachend und wartend hoch oben in ihrem Turm bleiben, in den sie sich vor einer Ewigkeit selbst eingesperrt und dessen Schlüssel sie weggeworfen hatte.
8. Kapitel
„ Gibt es eine halbwegs vernünftige Erklärung dafür, wieso Roberts Sohn ohne seine Freundin hier ist und warum du ziemlich lange alleine mit ihm im Schlafzimmer warst?“
Elisabeth hatte nur darauf gewartet, dass sie ihre Tochter an diesem späten Nachmittag endlich einmal unter vier Augen sprechen konnte und dieser Moment kam, als Sarah in der Küche vor dem geöffneten Kühlschrank stand, um die letzten Flaschen Champagner heraus zu nehmen.
„Natürlich, Mutter“, antwortete sie, ohne sich umzudrehen. „Julian kommt aus Hamburg. Jess ist in Berlin. Und er hatte keine Lust, von Hamburg über Berlin hierher zu fahren.“
„Ich denke, er und Jessica leben zusammen!“
„Das tun sie – zeitweise“, wusste Sarah. „Aber Julian hat auch in Hamburg Freunde, die ihm wichtig sind.“
„Er geht also fremd“, stellte Elisabeth sachlich fest.
„Ich weiß es nicht. Ich wiederhole lediglich, was er mir gesagt hat. Außerdem ist seine Mutter zurzeit in Hamburg.“
„Tatsächlich?“ Elisabeth schwieg sekundenlang, ehe sie fortfuhr: „Verena Hartung. Die große Schauspielerin. Mein Gott, ich hätte nie für möglich gehalten, dass diese Frau sich eines Tages in einer billigen Fernsehserie verheizen lassen würde.“
„Manchmal hat man keine andere Wahl, Mutter“, zeigte Sarah sich verständnisvoll, ohne Elisabeth dabei anzusehen. Sie sortierte die Champagnerflaschen im Eiskübel so konzentriert, als gäbe es nichts Wichtigeres im Leben.
„Man hat immer eine Wahl“, entrüstete Elisabeth sich. Dann besann sie sich. Sie beugte sich zu Sarah, um sie von unten herauf mit einem kleinen wissenden Lächeln anzusehen. „Hat Robert es getan, Sarah? Hat er dich gefragt?“
Sarah streifte sie mit einem verständnislosen Blick. „Getan?
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