Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
von zwei jungen Männern, die ein großer Traum und die Sehnsucht nach Weite, Ferne und Freiheit verband, für ihn beendete.
Da war es beinahe Mitternacht, sie saßen in der sauberen Küche und tranken Kaffee. Julian fühlte sich wie von einer großen Last befreit, er hatte es gewusst: Sarah war seine Rettung. Sie würde nicht zulassen, dass sein Leben in einer Katastrophe endete.
Doch jetzt war auch Sarah blass und müde. Dennoch schaffte sie es immerhin, ein bisschen zu lächeln, dieses wunderbare weiche Lächeln, das Julian niemals vergessen konnte.
„Lass mich raten“, sagte sie halblaut, während sie ihn über den Rand ihres Kaffeebechers ansah. „Ihr habt gemeinsam jeden Euro für das Boot gespart, du wahrscheinlich immer etwas mehr als Christoph, weil du euren Traum ja so schnell wie möglich verwirklichen wolltest. Und dann kommst du eines Tages hier an und, ich weiß nicht, wie – aber du stellst fest, dass Christoph weg ist. Er hat alles mitgenommen. Auch das Geld. Ja, vor allem das Geld.“
Es wurde sehr still in der Küche.
Nach einer Ewigkeit, so kam es Sarah vor, sprach Julian endlich. „Wir hatten fast alles zusammen“, hörte sie ihn mit brüchiger Stimme murmeln, und die ganze Zeit hielt er den Kopf gesenkt, weil er es nicht schaffte, sie jetzt anzusehen.
Und dann schwieg er wieder sehr lange.
Sarah wusste, dass sie ihm ein weiteres Mal abnehmen musste, die Wahrheit auszusprechen. „Du bist am Donnerstag nach Berlin gefahren, um deine Sachen aus der Wohnung zu holen, in der du mit Jessica gewohnt hast. Und du teiltest ihr nicht gerade zartfühlend in zwei Sätzen eure Trennung mit. Sag mir eins, Julian. Wo und wann hast du gelernt, so mit einem Mädchen umzugehen, das sich jederzeit für dich hätte in Stücke reißen lassen und das dir irgendwann einmal sehr wichtig war?“
Julian hatte auch darauf keine Antwort.
Sarah blieb unnachgiebig, sie ersparte ihm nichts. Sie fasste die Ereignisse der letzten Tage so sachlich zusammen, als handelte es sich dabei um ein Referat, das sie vor einer Lehrerkonferenz hielt.
„Und dann kommst du hierher zurück und musst erkennen, dass du inzwischen ebenfalls verlassen wurdest. Dein Freund Christoph hat dich betrogen, so, wie du Jessica monatelang betrogen hast. Oder wusste sie von dem Plan mit der großen Segeltour? Natürlich nicht. Du hättest mit ihr darüber reden müssen, aber das wolltest du nicht. Du glaubtest tatsächlich, du könntest einfach so aus ihrem Leben verschwinden.“
„Sie hätte es nie verstanden“, stieß er hervor.
Sarah überhörte seine Worte. Stattdessen fuhr sie ihn, inzwischen in spürbarem Zorn, an: „Und was tust du, als du hier ankommst und feststellen musst, dass dein Freund gar kein Freund, sondern ein Betrüger war? Du legst dich auf das Sofa und schüttest dich mit Rotwein zu. Blendest die Welt da draußen einfach aus. Bist für niemand zu erreichen. Gehst unter in Selbstmitleid. Hast du dich eigentlich ein einziges Mal gefragt, wie Jessica sich wohl gefühlt haben mag, als sie nach Hause kam und las, was du ihr zum Abschied geschrieben hast?“
„Nein“, antwortete er mit rauer Stimme.
„Natürlich nicht“, Sarah war enttäuscht und erbittert. „Du hast noch nie Verantwortung für irgendetwas oder irgendjemand übernommen, Julian.“
Sie unterbrach sich unvermittelt, legte ihre Hände flach auf die Tischplatte und sagte, ohne Julian dabei anzusehen: „Jess war schwanger von dir, Julian. Sie hat das Kind verloren, als sie abends nach Hause kam. Sie war alleine und wäre beinahe verblutet. Möchtest du noch weitere Details hören?“
Sein Kopf ruckte hoch. Er war leichenblass geworden und konnte sie sekundenlang nur fassungslos ansehen. „Aber… ich hatte keine Ahnung… Das hat sie mir nicht gesagt…“
„Wann denn?“ wurde Sarah sarkastisch. „Du warst doch kaum noch in Berlin. Und wenn du dich ab und zu doch dort sehen ließest, dann saß Jess in den Vorlesungen oder arbeitete an ihrer Examensarbeit, vermute ich mal. – Was ist eigentlich mit deinem Studium?“
Julian schwieg wieder lange, ehe er erwiderte: „Ich war nur zweimal in irgendeinem Hörsaal.“
„Wie? Zweimal?“ Sarah glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Aber Robert schickt dir jeden Monat einen Scheck, damit du studierst!“
„Ich habe das Geld… anderweitig ausgegeben“, seine Stimme versagte, als er noch etwas hinzufügen wollte.
Da brach unter Sarah ein Stück von der Erde, von ihrer Welt, ihrem Leben
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