Liebeslist und Leidenschaft
den Kopf. Oh nein, bitte nicht! Hoffentlich ist es nur der Stress.
Das käme jetzt wirklich ungelegen. Die Beziehung mit Nate war wohl kaum tragfähig genug für ein Kind. Davon abgesehen, war sie sich überhaupt nicht sicher, ob sie eine gute Mutter sein konnte. Bisher hatte sie sich schließlich nur auf den Beruf konzentriert. Obendrein wollte sie nicht, dass ihr Vater recht behielt. Er hatte doch prophezeit, sie würde ein Kind bekommen und die Arbeit dann nicht mehr so wichtig nehmen.
Nein, sie musste Gewissheit haben! Hoffentlich nur falscher Alarm. So grausam konnte das Schicksal doch nicht sein …
„Könnten wir in Titirangi noch mal kurz anhalten?“, bat sie Nate. „Ich habe vergessen, ein paar Kleinigkeiten einzupacken. Deo und so.“
„Kein Problem, machen wir.“
In der Nähe des Einkaufszentrums gab es einen Parkplatz, auf dem er anhielt.
„Soll ich mitkommen?“, fragte er, während er den Motor abstellte.
„Nein, nein, nicht nötig“, gab sie zurück und stieg schnell aus. „Dauert wirklich nicht lange. Bin gleich zurück.“
Bitte komm mir nicht hinterher, dachte sie. Komm mir bloß nicht hinterher. Zum Glück blieb er im Auto sitzen.
In der Drogerie kaufte sie zur Tarnung einen Deoroller, einen Lippenpflegestift und noch ein paar andere Dinge. Als sie alles bezahlt hatte, ließ sie die Hauptsache – den Schwangerschaftstest – schnell in ihrer Handtasche verschwinden.
„Na, hast du alles bekommen?“, begrüßte Nate sie, als sie zum Auto zurückkam. Sie hatte kaum mehr als fünf Minuten gebraucht.
„Ja, hab ich. War ja nur Kleinkram.“
Musterte er sie skeptisch, oder bildete sie sich das nur ein? Sie war keine gute Lügnerin, das wusste sie. Hauptsache, er stellte keine unbequemen Fragen!
„Okay, dann können wir ja weiterfahren.“
Erleichtert lehnte sie sich im Autositz zurück. Nate hatte keinen Verdacht geschöpft. Während der restlichen Fahrt erzählte er von Raouls Hochzeit und den Leuten, die er dort getroffen hatte. „Er hat eine große Verwandtschaft, musst du wissen.“
Das war weder Nate noch mir vergönnt, dachte sie. Keine Onkel, Tanten, Nichten und Neffen um einen herum. Keine Cousins, mit denen man spielen oder sich streiten konnte. Nur ein Kind und ein Elternteil.
„Manche Leute haben eben Glück“, murmelte sie versonnen.
„Was meinst du?“
„Na, mit einer so großen Verwandtschaft gesegnet zu sein. So viele Menschen, die einem vertraut sind.“
„Das ist nicht nur angenehm. Du hättest einige von den Typen sehen sollen.“
Sie musste lachen. Vielleicht hätte ich doch mit zur Hochzeit kommen sollen, statt mich mit meiner Mutter zu treffen, sagte sie sich. Dann hätte ich jetzt garantiert bessere Laune.
„Trotzdem, irgendwie wäre es schön gewesen. Gerade in der Kindheit …“
Er ergriff ihre Hand. „Ja, ich verstehe schon, was du meinst.“
Als sie angekommen waren und ins Haus gingen, verschwand Nicole zuallererst auf der Toilette. Mit zitternden Fingern zog sie den Schwangerschaftstest aus ihrer Handtasche. Schnell überflog sie den Beipackzettel und machte alles genau nach Vorschrift.
Ungeduldig zählte sie die Sekunden. Sie wagte nicht auf das Testfeld zu sehen, bis es endlich so weit war.
Und dann war es an der Zeit. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Ein Blick – negativ. Hurra! Sie war nicht schwanger!
Erleichtert steckte sie den Test zurück in die Schachtel, faltete sie so klein wie möglich zusammen und warf sie in den Abfallbehälter. Obendrauf legte sie ein paar zusammengeknüllte Papiertaschentücher. Das sollte genügen, bis sie die Gelegenheit bekam, alles in der Mülltonne zu entsorgen.
Um die Täuschung perfekt zu machen, betätigte sie die Toilettenspülung und wusch sich die Hände. Sie zitterte immer noch. Einerseits war sie unglaublich erleichtert, doch gleichzeitig hatte sie das unbestimmte Gefühl eines großen Verlusts. Vielleicht wäre es ja gar nicht einmal so schlimm gewesen, ein Kind von Nate zu bekommen. Dann hätte sie wenigstens jemanden gehabt – ein kleines Wesen, das sie uneingeschränkt lieben konnte und das sie uneingeschränkt liebte.
Prüfend betrachtete sie sich im Spiegel und schüttelte den Kopf. Nein, sie hatte hart gearbeitet, um sich eine Karriere aufzubauen, und das wollte sie nicht wegwerfen. Auch nicht für das Luftschloss einer perfekten Familie. In der Realität war ja doch nichts so schön wie in der Fantasie. Das hatte sie ja beim Treffen mit ihrer Mutter gemerkt.
So war
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