Liebeslüge, Liebesglück? (Julia) (German Edition)
dachte, dass er von all den Frauen, die ihn sicher gern begleitet hätten, ausgerechnet sie gebeten hatte, mit ihm Mittag zu essen, schlug ihr Herz heftig. Diesmal ging es nicht darum, dass er einfach nicht allein ins Theater gehen wollte. Es ging um sie persönlich: Athan wollte, dass sie ihm Gesellschaft leistete.
Zur selben Schlussfolgerung kam Marisa erneut in der folgenden Woche, als er sie in ein Konzert in der Royal Festival Hall und auch noch in eine Inszenierung von „Was Ihr wollt“ ausführte – und sich selbst zu ihr zum Abendessen einlud. Sie konnte es ihm schlecht ausschlagen, immerhin hatte sie stillschweigend zugestimmt, sich auf diese Weise für die vielen Restaurantbesuche zu revanchieren, von den Theaterkarten ganz zu schweigen.
Doch die Vorstellung machte Marisa nervös, nicht nur, weil ihre Kochkünste sehr bescheiden waren. Athan lächelte, als sie ihm dies gestand.
„Um ehrlich zu sein, hatte ich auf einen traditionellen englischen Braten gehofft.“
„Den kriege ich wohl hin“, sagte Marisa erleichtert und beschloss, zum Nachtisch Apple Crumble zu machen.
Es wurde ein schöner, entspannter Abend, und Athan schien das Essen sehr gut zu schmecken. Auch Marisa genoss die Stunden, aber es machte sie nervös, allein mit ihm in ihrem Apartment am Tisch zu sitzen.
Auch hier hatte sie sich bewusst schlicht gekleidet – Jeans und Pullover mit Wasserfallkragen –, trug kaum Make-up und hatte sich das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Aber sie konnte sich der starken Wirkung nicht entziehen, die Athan auf sie hatte. Wie lange würde sie sich noch gegen ihre Empfindungen wehren können – und warum tat sie das überhaupt …? Unter Aufbringung all ihrer Willenskraft versuchte Marisa, sich nichts anmerken zu lassen. Doch es fiel ihr immer schwerer.
Nach dem Dessert rief Athan sie zu sich in die Küche, um ihr die Espressomaschine zu erklären. Marisa ging zu ihm – und spürte sofort, dass sie ihm viel zu nahe war. Als er die verschiedenen Funktionen erläuterte, berührte seine Hüfte ihre. Mit heftig klopfendem Herzen wich sie zurück und begann hektisch davon zu erzählen, wie gern sie Cappuccino trank. Zu ihrer Erleichterung schien Athan ihre Nervosität nicht zu bemerken.
Schnell wandte Marisa sich ab, nahm Tassen aus dem Schrank und stellte sie auf ein Tablett, das sie im Wohnzimmer auf den Couchtisch stellte. Dann setzte sie sich in einen Sessel und überließ Athan das Sofa. Er sollte auf keinen Fall denken, sie wolle ihn verführen! Natürlich entging ihm ihr Verhalten nicht, das er mit einem leichten Lächeln quittierte.
Während sie den Kaffee tranken und dazu Vivaldi hörten, wartete sie nur auf den richtigen Augenblick, demonstrativ ein Gähnen zu unterdrücken, damit Athan gehen würde. Denn genau das wollte sie, redete sie sich energisch ein. Alles andere war einfach undenkbar.
Verstohlen beobachtete sie, wie Athan seinen Kaffee trank. Er hatte ein Bein lässig über das andere geschlagen, und der hellblaue Kaschmirpulli spannte sich über seinem breiten Oberkörper, sodass sich seine Muskeln darunter abzeichneten. Das tiefschwarze Haar glänzte im Licht der Lampe, und beim Anblick der nur als dunkler Schatten erkennbaren Bartstoppeln fragte Marisa sich unwillkürlich, wie es sich wohl anfühlen würde, mit den Fingerspitzen darüber zu streichen …
Hör auf! dachte sie entsetzt. So etwas durfte sie einfach nicht denken. Doch als sie so zusammensaßen und plauderten – er entspannt und heiter, sie mit untergeschlagenen Beinen auf dem Sessel gegenüber –, entstand ganz von selbst eine sehr vertrauliche Atmosphäre. Die Lampe verbreitete ein sanftes Licht, und im Hintergrund war ein langsames Stück von Vivaldi zu hören: lieblich, verführerisch …
Athan sah sie mit seinen dunklen Augen an, und das Gespräch ebbte ab. Marisa tat so, als lauschte sie der Musik – und blickte ihn dabei ganz bewusst nicht an. Als würde sie das Spiel von Licht und Schatten auf seinen markanten Zügen nicht bemerken, ebenso wenig wie seine breiten Schultern oder seine langen, muskulösen Beine oder seine Finger, die sich um sein Weinglas schmiegten, als würde er ihr Gesicht umfassen.
Marisa wurde von tiefen, intensiven Empfindungen erfasst und hatte plötzlich das Gefühl, sich nicht mehr bewegen zu können. Die Hände auf den Armlehnen ausgebreitet, saß sie da, atmete schnell und spürte ihr Herz heftig schlagen.
Athan sah sie bedeutungsvoll an, und plötzlich loderte
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