Liebesmaerchen in New York
würden.«
»Vergessen Sie nicht, dass ich selbst einmal ein kleiner Junge war.« Mitch hatte sein Angebot gemacht, ohne vorher darüber nachzudenken, doch jetzt merkte er, dass ihm tatsächlich daran gelegen war, den Jungen um sich zu haben. »Wissen Sie was? Warum überlassen Sie die Entscheidung nicht Red?«
»Was für eine Entscheidung?« Radley hatte sich, nachdem er sein Gespräch mit Josh beendet hatte, ein paar Tropfen Wasser über die Hände laufen lassen, in der Hoffnung, dass seine Mutter sich nicht die Zeit nehmen würde, genauer hinzusehen.
Sie hätte eine ausweichende Antwort geben können, da ihr aber daran gelegen war, Red gegenüber immer ehrlich zu sein, antwortete sie: »Mitch meinte, ob es dir wohl gefiele, nachmittags nach der Schule bei ihm zu bleiben anstatt bei Mrs Cohen.«
»Ehrlich?« Red machte vor Freude einen Satz. »Darf ich? Ehrlich?«
»Nun, ich wollte es mir überlegen und mit dir darüber sprechen.«
»Ich werde auch unheimlich lieb sein.« Red stürzte sich auf seine Mutter und schlang die Arme um ihre Taille. »Ich verspreche es. Mitch ist viel besser als Mrs Cohen. Viel, viel besser. Sie riecht nach Mottenkugeln und tätschelt mir immer den Kopf.«
Hester warf Mitch einen vorwurfsvollen Blick zu. Sie war es nicht gewöhnt, ohne vorherige gründliche Überlegung zu Entscheidungen gezwungen zu werden. »Aber Radley, Mrs Cohen ist sehr nett. Und du gehst schon seit zwei Jahren zu ihr.«
Radley drückte sich fester an sie und spielte seinen Trumpf aus. »Wenn ich bei Mitch bliebe, könnte ich immer sofort nach Hause kommen und zuerst meine Schulaufgaben machen.« Das war zwar ein etwas vorschnell gemachtes Versprechen, aber die Situation erforderte es. »Und du könntest auch früher nach Hause kommen und alles. Bitte, Mom, sag Ja. Bitte!«
Sie verweigerte ihrem Sohn nur sehr ungern etwas, weil es ohnehin so viele Dinge gab, die sie ihm nicht erlauben konnte. Er sah zu ihr auf, und seine Wangen waren vor Eifer gerötet. Sie neigte sich zu ihm hinunter und küsste ihn. »Also gut, wir werden es versuchen und sehen, was dabei herauskommt.«
»Super!«, schrie Red und warf ihr die Arme um den Hals, bevor er sich zu Mitch umdrehte. »Das wird einfach super!«
3. K APITEL
An den Wochenenden schlief Mitch lange, meistens ohne dass ihm bewusst war, dass es sich um ein Wochenende handelte. Da er zu Hause arbeitete und sich seine Zeit nach eigenem Belieben einteilen konnte, vergaß er nämlich häufig, dass für die Mehrzahl der Menschen ein gewaltiger Unterschied zwischen einem Arbeitstag und dem Wochenende bestand. Diesen speziellen Samstag verbrachte er im Bett und war für die übrige Welt nicht zu sprechen.
Nachdem er am Abend Hesters Wohnung verlassen hatte, war er zu rastlos gewesen, um in sein eigenes Apartment zurückzukehren. Stattdessen hatte er einer Laune nachgegeben und war in die Kneipe gegangen, die von Mitarbeitern des »Universal-Verlags« besucht wurde. Dort hatte er seinen Setzer und einen Künstler, der für »Universal« eine andere Science-Fiction-Serie schrieb, getroffen. Die Musik war laut und nicht besonders gut gewesen, was genau seiner Laune entsprochen hatte.
Später hatte er sich von den anderen noch zu einem Horrorfilm-Festival am Time Square überreden lassen. So war es schon nach sechs gewesen, als er ein bisschen betrunken heimgekommen war. Er hatte gerade noch genügend Energie aufgebracht, sich auszuziehen, sich aufs Bett fallen zu lassen und sich vorzunehmen, die nächsten vierundzwanzig Stunden im Bett zu verbringen. Als acht Stunden später das Telefon klingelte, hob er eigentlich nur ab, weil das Geräusch ihn nervte.
»Ja?«
»Mitch?« Er hört sich verschlafen an, dachte Hester, da es aber schon zwei Uhr nachmittags war, fand sie den Gedanken albern. »Hier spricht Hester Wallace. Tut mir leid, wenn ich Sie gestört habe.«
»Was? Nein, nein. Ist schon in Ordnung.« Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht und schob den Hund zur Bettmitte. »Verdammt, Taz, rutsch weiter. Du prustest mich an.«
Taz? Hester runzelte die Stirn. Sie hatte nicht gewusst, dass Mitch seine Wohnung mit jemandem teilte. Das hätte ich vorher feststellen müssen, dachte sie und biss sich auf die Lippen.
»Bitte entschuldigen Sie«, fuhr sie mit merklich kühlerer Stimme fort, »anscheinend habe ich Sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt.«
»Nein.« Diesem blöden Köter braucht man nur den kleinen Finger zu geben, und schon schnappt er sich die ganze
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