Liebesmaerchen in New York
lange genug vom Herd ab, um ihn an sich zu drücken. »Er darf. Aber erst nach dem Lunch. Morgens müssen wir ein paar Einkäufe fürs Wochenende machen.«
»Danke. Warte nur, bis er es sieht. Er fällt glatt um. Ich sag’s ihm.«
»Das Essen ist fast fertig. Beeil dich. Und wasch dir die Hände.«
Radley sah Mitch an, verdrehte die Augen und schoss aus der Küche.
»Sie sind der große Hit«, erklärte Hester.
»Aber Sie sind für ihn die Größte.«
»Er für mich ja auch.«
»Das habe ich schon bemerkt.« Mitch trank sein Glas leer. »Wissen Sie, eins verstehe ich nicht recht. Ich dachte immer, Bankangestellte arbeiten nur während der Schalterstunden. Aber Sie und Red kommen nie vor fünf oder so nach Hause.« Als sie ihn erstaunt ansah, lächelte er. »Ich habe ein paar Fenster zur Straße hinaus. Und ich beobachte gern, wie die Leute rein- und rausgehen.«
Bei dem Gedanken, dass er sie beobachtet hatte, war ihr unbehaglich zumute. »Ich höre um vier auf, aber dann muss ich Red noch bei der Dame abholen, die auf ihn aufpasst. Sie wohnt in der Nähe unserer früheren Wohnung, deshalb dauert es eine Weile. Ich habe schon angefangen, mich nach jemandem umzusehen, der mehr in der Nähe wohnt.«
»Viele Kinder in seinem Alter und sogar jüngere kommen alleine nach Hause.«
»Radley ist kein Schlüsselkind. Er soll nicht in eine leere Wohnung kommen, nur weil ich arbeiten muss.« Wieder diese kühle Zurückweisung.
Mitch rückte das Weinglas in die Nähe ihres Ellbogens. »Das kann wirklich deprimierend sein«, murmelte er, da er sich an seine eigenen Kindheitserfahrungen erinnerte. »Er hat Glück, dass er Sie hat.«
»Ich habe noch größeres Glück, dass ich ihn habe.« Ihre Stimme war weicher geworden. »Wenn Sie die Teller herausholen, kann ich auftischen.«
Mitch erinnerte sich daran, wo sie ihr Geschirr aufbewahrte, weiße Teller mit kleinen Veilchen auf dem Rand. Während er sie auf den Esstresen stellte, gab er einem plötzlichen Impuls nach.
»Ich nehme an, es wäre einfacher, wenn Red von der Schule aus direkt hierher zurückkommen könnte?«
»O ja. Es ist wirklich lästig, jeden Tag mit ihm durch die halbe Stadt zu ziehen. Obgleich er sich nie beschwert. Aber jemanden zu finden, dem man vertrauen kann und den Red mag, ist gar nicht so einfach.«
»Wie wär’s mit mir?«
Hester, die gerade das Gas abdrehen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne und starrte ihn an. Gemüse und Huhn brutzelten unterdessen im heißen Öl munter weiter vor sich hin. »Wie bitte?«
»Er könnte nachmittags bei mir sein.« Wieder legte Mitch seine Hand auf die ihre, dieses Mal, um das Gas auszudrehen. »Dann wäre er im selben Haus.«
»Mit Ihnen? Nein, das geht nicht.«
»Warum nicht?« Je länger Mitch darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Idee. Für ihn und Taz wäre es nett, nachmittags Gesellschaft zu haben, und obendrein bekäme er selbst auf diese Weise mehr von der interessanten Mrs Wallace zu sehen. »Brauchen Sie Referenzen? Ich stehe nicht im Strafregister.«
»Das habe ich damit nicht sagen wollen.« Als er grinste, machte Hester sich mit dem Reis zu schaffen. »Ich meine, das kann ich unmöglich von Ihnen verlangen. Sie haben doch viel zu tun.«
»Seien Sie ehrlich. Sie glauben doch ohnehin, dass ich den ganzen Tag nur herumtrödle.«
»Wir waren schon übereingekommen, dass mich das nichts angeht.«
»Genau. Jedenfalls bin ich nachmittags zu Hause, verfügbar und bereit. Außerdem könnte ich Red als Berater gebrauchen. Er ist gut, wissen Sie.« Mitch wies auf die Zeichnung am Kühlschrank. »Der Junge könnte außerdem ein paar Zeichenstunden brauchen.«
»Ich weiß. Ich hoffte, dass wir sie uns diesen Sommer hätten leisten können, aber …«
»Dann schauen Sie einem geschenkten Gaul nicht ins Maul«, fiel Mitch ihr ins Wort. »Der Junge mag mich, und ich mag ihn, und ich schwöre, er bekommt jeden Nachmittag nur eine winzige Kleinigkeit zum Naschen.«
Jetzt lachte Hester, wie er sie vor ein paar Stunden von seinem Fenster aus hatte lachen sehen. Es fiel ihm nicht leicht, sich zurückzuhalten, aber sein Instinkt sagte ihm, dass sie, falls er nur eine einzige falsche Bewegung machte, ihm die Tür vor der Nase zuschlagen und den Riegel vorschieben würde.
»Ich weiß nicht, Mitch. Ich meine, ich weiß Ihr Angebot wirklich zu schätzen. Es würde die Dinge sehr viel leichter machen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Sie wissen, auf was Sie sich da einlassen
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