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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stelle.
    »Ich habe alle Vollmachten aus Moskau!« brüllte Karpuschin.
    »Aber ich unterstehe der Sechsten taktischen Luftflotte, Genosse General.«
    »Mir unterstehen Sie!«
    »Ich bin Ihnen zugeteilt. Zum Flug nach Kisyl-Polwan. Alle Abänderungen muß ich nach Samarkand melden.«
    »Erschießen lasse ich Sie!« tobte Karpuschin. Er sah, wie Jefimows Jeep fröhlich zurück nach Kisyl-Polwan fuhr, ja, Jefimow besaß noch die Frechheit, dem Hubschrauber zuzuwinken und mit den Armen zu fuchteln. In Karpuschin zerbrach alles, was sechzig Jahre lang sein Wesen gewesen war. Mit einem Ruck zog er seine Pistole aus dem Futteral und setzte sie dem jungen Leutnant in den Nacken.
    »Nach Persien«, befahl Karpuschin. Von hinten kam ein heller Aufschrei. Dort kauerte Marfa mit angstgeweiteten Augen. »Die Straße entlang, mein Söhnchen.«
    Der junge Leutnant rührte sich nicht. Unbeirrt von dem kalten Pistolenlauf in seinem Nacken flog er einen neuen Kreis und kehrte nach Kisyl-Polwan zurück. »Bitte, schießen Sie, Genosse General«, sagte er ruhig. »Wie ein Stein werden wir aus dem Himmel fallen und alle in den Felsen zerschellen.«
    Karpuschin steckte die Pistole ein. Mit zitternden Lippen wandte er sich um und sah zurück auf die Straße und die Berge, die schneller und immer schneller kleiner wurden. Nur ein winziger Punkt tanzte auf der Straße und wirbelte eine hellgelbe Staubwolke auf.
    Karpuschins Kopf sank nach vorn. Er resignierte. Die Jagd war vorbei, das Wild war geflüchtet. Und jetzt war es sicher: Es gab keinen Matweij Nikiforowitsch Karpuschin mehr.
    Als Jefimow die fünf Steinhäuser seiner Grenzstation erreichte, stand der Hubschrauber schon hinter seinem Haus, und seine fünf Milizsoldaten, zwei Maschinengewehrschützen aus Samarkand, ein junger Leutnant, Marfa und Karpuschin erwarteten ihn, nebeneinanderstehend, wie ein Ehrenspalier. Mit einem Sprung setzte Jefimow aus dem Wagen auf den Boden, grüßte und ging auf Karpuschin zu. Als er vor ihm stand, bildete sich ein Kreis um ihn, und Jefimow wußte, was das zu bedeuten hatte.
    »Machen wir es kurz, Maxim Sergejewitsch«, sagte Karpuschin knapp, als zerhacke er jedes Wort wie einen dicken Ast Winterholz. »Sie haben Semjonow in den Iran gebracht?«
    »Ja, Genosse General.« Jefimow sah zu Marfa. In ihren dunklen Augen lagen Trauer und Erschrecken. Und als sie sich anblickten, flammte ein unsichtbarer Bogen von ihm zu ihr, und sie wußten in dieser glücklichen Sekunde, daß ihr Leben anders geworden wäre, wenn sie sich irgendwo in früheren Monaten begegnet wären. Dann sahen sie weg … Marfa zu Karpuschin, und Jefimow zu seinen fünf Soldaten, die ihn eingekreist hatten, die Gewehre in den Händen.
    »Sie wissen, daß Sie damit Landesverrat begangen haben?« fragte Karpuschin laut.
    »Ich habe eine alte Schuld beglichen, Genosse General.«
    »Sie haben dem sowjetischen Vaterland einen Schaden zugefügt, der nie wiedergutzumachen ist. Sie taten es mit vollem Verstand!«
    »Ja, Genosse General.«
    Karpuschin griff in seine Uniformtasche. Er hielt dem jungen Leutnant die Generalvollmacht Marschall Malinowskijs vor die Augen, faltete sie zusammen und rückte seinen Kneifer gerade.
    »Maxim Sergejewitsch Jefimow. Als Vorsitzender eines Sonder- und Standgerichtes verurteile ich Sie wegen Landesverrats, Sabotage und Beihilfe zur Spionage zum Tod durch Erschießen. Sie haben unter Zeugen gestanden. Ihr letztes Wort, bitte …«
    Jefimow sah hinüber zu den Bergen. Nun sind sie auf dem Pfad, dachte er. In vier Stunden können sie die Schlucht erreicht haben, und dann werden sie bald in Sicherheit sein.
    Gott mit dir, Ludmilluschka.
    »Nein!« erwiderte Jefimow laut. »Ich habe nichts mehr zu sagen.«
    »Dann treten Sie bitte an die Wand des Hauses, Maxim Sergejewitsch.«
    Jefimow ging. Sein Schritt war ruhig und weitausgreifend. An der rauhen Steinwand seines Kommandantenhauses drehte er sich um und sah in die Gewehrläufe seiner fünf Milizsoldaten und der beiden Maschinengewehrschützen aus Samarkand. Da lächelte er. Meine eigenen fünf Leute schießen auf mich, dachte er. Ach ja, eineinhalb Jahre habe ich sie gequält, war ihnen ein unbequemer Vorgesetzter … Wie fröhlich muß es ihnen ums Herz sein, jetzt auf mich zu zielen. Eine billige Rache ist's, Brüder … aber ich gönne sie euch.
    »Ich bin bereit, Genosse General«, sagte Jefimow laut. »Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, daß meine Milizsoldaten miserabel schießen.«
    Karpuschin schwieg.

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