Liebesnaehe
Erste Ideen für ihre Durchführung hat Katharina ihm zwar schon geliefert, er kann sich aber noch nicht genau vorstellen, wie aus diesen Ideen später einmal ein großes literarisches Projekt werden könnte. Er braucht weitere Hilfe, ja, unbedingt, und er glaubt auch schon zu wissen, wer ihm helfen könnte.
Unten, im Tiefgeschoss, hat er dem Chefkoch erklärt, dass er gerade erst auf das Gourmetrestaurant aufmerksam geworden sei, an seinem letzten Abend in diesem Hotel aber keine Zeit mehr finde, das schöne Restaurant zu besuchen. Das aber tue ihm leid, denn er wünsche sich sehr, einmal in diesen Räumen essen zu dürfen.
– Was hätten Sie denn gerne gegessen? fragte der Chefkoch.
Er sprach von einem kleinen, bescheidenen Menü, am liebsten mit Wild. Und er erzählte weiter, dass er davon träume, eine solche Mahlzeit gleich am Mittag im Gartenhaus am Rande des Fichtenwäldchens zu sich nehmen zu können. Er holte nicht weiter aus, um diesen besonderen Ort zu erklären, vielmehr deutete er nur an, dass die Hotelleitung ihm diesen Raum als spezielles Angebot und als Köder für eventuelle spätere Lesungen auf dem Hotelgelände zur Verfügung gestellt habe.
– Ich verstehe, antwortete der Chefkoch und fragte ihn weiter, ob er noch weitere Personen zu einem solchen Mittagessen einladen wolle.
– Ich träume von einem kleinen, bescheidenen Essen mit Wild für zwei Personen, sagte er und war dann sehr überrascht, als der Chefkoch vorschlug, ihm dabei behilflich zu sein, ein solches Essen in der Küche des Restaurants zuzubereiten.
– Meinen Sie das im Ernst? fragte er noch.
– Natürlich, antwortete der Chefkoch, ich würde mich freuen, mit Ihnen zusammen ein kleines Menü zu entwerfen.
– Und wann fangen wir damit an? fragte er nach.
– Am besten sofort, antwortete der freundliche Mann und zeigte ihm den Weg in die Küche.
In der Küche besprachen sie gleich eine Folge sehr einfacher und rasch zuzubereitender Speisen. Als Vorspeise sollte es gekochte Selleriescheiben mit geriebenen Walnüssen geben, als Hauptspeise einen Rehrücken mit Kohlrabimus und als Nachspeise geschmorte Äpfel mit Preiselbeeren.
Den Rehrücken und die Nachspeise hatte er selbst vorgeschlagen, eine passende Vorspeise fiel ihm aber ebenso wenig ein wie ein passendes Gemüse zum Fleisch. Zusammen mit dem Koch ging er einige Varianten durch, bis das ganz und gar Einfachste übrig blieb. Und so schnitten sie eine kräftige Sellerieknolle in feine Scheiben, kochten sie kurz und bestreuten sie mit fein gehackten und leicht angeschmorten Zwiebeln sowie geriebenen Walnüssen, dann noch ein kleiner Schuss Walnussöl über das Ganze – und schon war die Vorspeise fertig.
Er mag diesen Purismus, gekochter Sellerie schmeckt ausgezeichnet und regt zusammen mit den Zwiebeln und den Walnüssen den Appetit an. Einen guten Grauburgunder sollte es dazu geben, das Bild eines kleinen Tellers mit den hellen, gekochten Selleriescheiben, daneben ein Weißweinglas, gefüllt mit leuchtendem Grauburgunder, sah er schon vor sich.
Noch puristischer aber war die Gemüsebeilage zum Rehrücken, der kaum eine halbe Stunde brauchte, um im Ofen gar zu werden. Sie hackten den Kohlrabi in kleine
Stücke und kochten sie in einer Gemüsebrühe mit etwas Olivenöl, die weich gekochten Stücke wurden püriert und mit Salz, Pfeffer, Muskat und Chili abgeschmeckt. Das alles ergab schließlich ein intensives, leicht scharfes, aber noch relativ geschmacksneutrales Mus, das den Geschmack des zarten Rehrückens nicht überdeckte, sondern intensivierte.
Der Chefkoch arbeitete an seiner Seite rasch und gezielt, alles, was sie für die Gerichte brauchten, war in dieser Küche vorhanden. Kaum hatten sie begonnen, war der Sellerie auch bereits fertig, der Rehrücken war längst im Ofen verschwunden, und die Äpfel schmorten ebenfalls, dicht zusammengedrängt und mit etwas Ahornhonig übergossen, in einer länglichen Ofenschale.
Sie hatten sogar noch Zeit, sich während des Kochens zu unterhalten, und schließlich dauerte die Zubereitung dieses Mittagessens nicht einmal eine Stunde. Es war kurz vor 13 Uhr, als der Chefkoch zwei seiner Küchenhilfen bat, die Speisen in das Gartenhaus zu bringen. Als er sich verabschiedete, holte er noch eine zweite Flasche Wein aus dem Lager.
– Zum Rehrücken trinken Sie den hier, sagte er, es ist mein Geschenk zu dem besonderen Anlass.
Er schaute kurz auf die Flasche, es war ein Assmannshäuser Spätburgunder, der in der Tat
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