Liebesnaehe
aufgebaut, in deren Nähe zwei sehr niedrige, runde Tische mit Obst, Käse, winzigen Broten und Weinkaraffen stehen. Das Obst und der Käse sind bereits geschnitten und in kleine Portionen zerlegt, und in den Karaffen leuchten ein weißer und ein dunkelroter Wein, während die größte Karaffe anscheinend mit frischem Wasser gefüllt ist. Die altjapanische Musik im Hintergrund ist sehr leise und erst richtig zu hören, wenn man den Raum betritt und sich auf sie konzentriert.
Wo aber ist Jule? Er überlegt nicht weiter, sondern streift die Schuhe ab und nimmt auf der Schlafstätte Platz. Er schaut sich noch einmal genau um und betrachtet das Obst und die vielen Sorten Käse. Er überlegt sich, wovon er als Erstes probieren wird, dann legt er sich mit dem Rücken auf die sehr breite und bequeme Schlafstätte und blickt gegen die Holzdecke.
Es dauert nur wenige Minuten, bis Jule erscheint. Sie bringt zwei große Kissen mit, die sie in der frei gewordenen, linken Hälfte des Raumes auf dem Boden dicht nebeneinander
platziert. Dann geht sie zu ihm und reicht ihm eine Hand, um ihn von der Schlafstätte hochzuziehen. Er geht auf das Angebot ein, und als sie dicht voreinander stehen, legt sie ihre beiden Arme um seinen Hals und gibt ihm einen Kuss. Er umarmt sie ebenfalls und küsst sie, sie küssen sich aber nicht wie zwei, die sich nach langer Zeit wiedersehen, sondern wie zwei, die nur kurz voneinander getrennt waren und sich nun wieder begrüßen. Ihre wohltuend warmen Lippen schmecken etwas nach Küche und fremden Speisen, und ihr Körper wirkt leicht und geschmeidig, als käme sie direkt von einer ihrer Schwimmorgien. Er fühlt sich ebenfalls leicht, und sein Körper ist ihr vollkommen zugetan, es gibt nur noch die schöne Gegenwart der Berührung und des gegenseitigen, starken Kontakts.
Nach der Begrüßung kümmert sie sich um das Essen. Sie stellt die beiden niedrigen Tische dicht nebeneinander, legt auf mehrere Teller kleine Portionen mit Käse und Obst und füllt einige schmale Bastkörbe mit den kleinen Broten. Dann schenken sie sich gegenseitig etwas Wein und Wasser ein, eine Weile sind sie damit beschäftigt, lauter Gläser zu füllen. Das Obst, der Käse, das Brot, der Wein und das Wasser – all das bildet schließlich ein großes Ensemble von Tellern und Gläsern, die den Eindruck erwecken, als wäre für eine größere Tischgesellschaft gedeckt. Er betrachtet das schöne Bild einen Moment, ja, er hat verstanden, diese Mahlzeit ist so vorbereitet, dass man sich von allem jederzeit einen Bissen oder einen Schluck nehmen kann.
Sie rückt die beiden großen Kissen in die Nähe der gedeckten Tische, dann geht sie zum Schrank und holt zwei Kimonos heraus. Sie reicht ihm einen dunkelroten und geht etwas zur Seite, um sich zu entkleiden und ihren Kimono überzustreifen. Er zieht sein Hemd und die Hose aus und zieht ebenfalls den Kimono an, dann nimmt er auf einem der Kissen Platz, während sie die beiden Öllampen, die bisher in den beiden hinteren Winkeln des Raumes brannten, etwas näher an den Essplatz heranrückt.
Sie beginnen mit einem Schluck Wein, sie stoßen mit ihren Gläsern an, er sieht, wie hellwach und entspannt ihr Gesicht ist, sie schaut ihn an und lächelt, die Freude über das, was hier geschieht, ist so deutlich erkennbar, dass er sofort zurücklächeln muss. Einen kurzen Moment ist die starke Versuchung da, endlich ein Wort zu sagen, doch als er den Wein trinkt, konzentriert er sich auf diesen Geschmack und hält sich weiter an die Regeln.
Ihre Bewegungen sind jetzt sehr ruhig, jeder nimmt sich von Käse, Brot und Obst, sie essen und trinken sehr langsam, während im Hintergrund die Klänge der altjapanischen Musik zu hören sind. Schaut man durch die Fenster der Vorderfront, ist das Raster der vielen schwach erleuchteten Fenster des Hotels zu erkennen, unten, im Erdgeschoss, macht sich dagegen ein heller Lichtstrom breit, der einen ganzen Flügel des Hotels grundiert. Es kommt ihm aber nicht so vor, als stünde das Gartenhaus mit dem Hotel in Verbindung, nein, im Gegenteil, er hat das Gefühl, als rückte es mit zunehmender Dunkelheit auf Distanz zu den großen Gebäuden.
Sie essen und trinken eine Weile, sie geben sich ganz diesem Genuss hin, reichen sich gegenseitig von den Speisen und schenken nach. Die Leere des Zimmers, das Sitzen auf den großen Kissen, die auf dem Boden ausgebreitete Schlafstätte – das alles macht den Eindruck eines intimen japanischen Raumes, der nie von
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