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Liebesnaehe

Liebesnaehe

Titel: Liebesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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die man in andere Zusammenhänge überführen und über die man fantasieren kann. Verstehst Du?
    – Ja, ich verstehe, was Du meinst, und ich finde Deine Idee fabelhaft. Einen »Katalog« anzulegen – das würde also bedeuten: Nicht vor den Dingen davonlaufen, und sie auch nicht in einem Lager verstecken, sondern auf sie zugehen, sie wieder und wieder betrachten, sie in die Hand nehmen und sie dem eigenen, veränderten Leben einverleiben.
    – Exakt, besser hätte ich es nicht sagen können. Man merkt sofort, dass Du in letzter Zeit viel notiert und geschrieben hast.
    – Du sollst Dich nicht über mich lustig machen, ich habe es Dir schon einmal gesagt.
    – Ach was, im Ernst: Du hast das Problem genau beschrieben, und Du hast auch die Lösung umrissen. Etwas Besseres fällt mir nicht ein.

    Sie schweigen und schauen eine Weile vor sich hin, im Hintergrund ist das Plätschern des Brunnens zu hören.
Dann richtet sich Jule auf und setzt sich seitlich auf ihre Liege:
    – Katharina, bist Du mir böse, wenn ich Dich jetzt verlasse? Ich habe noch viel mit der Einrichtung des Gartenhauses zu tun. Die ganze Nacht wird dafür draufgehen.
    – Aber nein, ich bin Dir nicht böse, mach Dich nur an die Arbeit. Wir sehen uns morgen früh wieder.
    – Morgen ist mein letzter Tag, übermorgen fahre ich wieder nach München.
    – Ich weiß, aber Du kommst ja schon bald wieder her, das ist doch das Schöne. Diese Insel hier wird Dir immer mehr ans Herz wachsen, erst recht jetzt, wo ein Gartenhaus auf Dich wartet.
    – Du meinst, ich werde in Zukunft im Gartenhaus übernachten? Meinst Du das wirklich?
    – Warten wir es ab, Jule, ich werde darüber nachdenken.
    – Katharina, das wäre ein großes Glück. Ich wäre dann hier kein Hotelgast mehr, sondern ich wäre ein Bewohner der einsamen Insel.
    – Richtig, dann wärst Du ein Bewohner, genauso wie ich.
    – Bis morgen, Katharina.
    – Bis morgen, Jule. Aber noch eins, ganz rasch, und zum Schluss: Der Hotelgast, von dem ich Dir erzählt habe … – er ist gar kein Bühnenbildner …, sondern …
    – Moment, Katharina, einen Moment! Der Hotelgast ist gar kein Bühnenbildner? Er ist es nicht?! Dann ist er ein Schriftsteller, habe ich recht?
    – Ja, Du hast recht.
    – Ich habe es geahnt, ich hatte so eine dunkle Ahnung.

    – Jetzt kannst Du sicher sein, jetzt weißt Du es. Entschuldige, dass ich geschwindelt habe, ich wollte, dass Du Dir den Fall überlegst, ohne an eine bestimmte Person zu denken.
    – Ich denke immerzu an eine bestimmte Person, Katharina, da ist nichts zu machen, ich habe nämlich eine Blockade.

    Sie lacht und steht auf. Dann gibt sie Katharina einen Kuss auf die rechte Wange und verschwindet. Eine Blockade, ja, denkt Katharina, jeder von uns dreien hat eine Blockade, so könnte man sagen. Vielleicht haben wir aber auch alle drei dieselbe Blockade, so könnte man vielleicht auch sagen. Ach, es ist zu kompliziert, ich blicke da nicht mehr durch.

    Sie lächelt und schließt noch einmal für ein paar Minuten die Augen. Sie durchdenkt, was Jule gesagt hat, und sie überlegt, was sie Johannes gleich sagen wird. Es ist bereits spät, wahrscheinlich wartet er in der Hotelbar.

    Sie steht auf, sie will ihn nicht zu lange warten lassen.

27
    ER HAT eine Weile Klarinette gespielt, dann hat er in dem Buch des treuen Sohnes, der seinen Vater in den letzten Tagen seines Lebens gepflegt hat, gelesen. Er hat sehr langsam gelesen und die Lektüre immer wieder unterbrochen, er hat darüber nachgedacht, ob gerade diese Lektüre, die ihn so stark an Szenen seines eigenen Lebens erinnert, gut für ihn ist. Er konnte aber nicht aufhören zu lesen, sondern er musste sich einen Ruck geben, um das Buch schließlich wegzulegen und sich umzuziehen. Er hat ein weißes, frisches Hemd mit langen Ärmeln angezogen, er hat die langen Ärmel ein wenig hochgekrempelt, dann hat er schwarze Jeans angezogen, noch eine kleine Flasche Wasser getrunken und das Hotelzimmer schließlich verlassen.

    Seit einer halben Stunde sitzt er in der Hotelbar und wartet auf Katharina. Die Bar ist leer, denn es ist die Zeit des Abendessens, das die Hotelgäste jetzt in den verschiedenen Restaurants des Hotels einnehmen. Unten im Tiefgeschoss soll es ein besonders gutes, mit Sternen dekoriertes geben, er hat es sich aber noch nicht angeschaut, es widerstrebt ihm seltsamerweise, an den ausgedehnten Mahlzeiten der Hotelrestaurants teilzunehmen, er weiß aber nicht ganz genau, woran das liegt.

    Als Katharina

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