Liebesnaehe
vorbereitet und bis ins Kleinste durchdacht, sie hat sich Mühe gegeben.
Als sie das Gartenhaus betritt, steht er vor der Wand, dem Eingang gegenüber, und liest in einem Gartenbuch. Sie geht direkt auf ihn zu, sie umarmt und küsst ihn auf beide Wangen. All das geht auf leichte und lockere Weise ineinander über, das Betreten des Raums und eine herzliche Begrüßung, so, als wären sie schon lange zusammen.
Sie geht hinüber zum Schrank, sie zieht den Bademantel und ihre Badekleidung aus, nackt steht sie im Raum und trocknet sich mit einem Handtuch ab. Dann nimmt sie aus dem Schrank einen hellblauen Morgenmantel, sie zieht ihn an und verknotet den Gürtel. Die altjapanische Musik füllt weiter den Raum, und sie bemerkt, wie sehr auch diese Klänge zu ihrer Begegnung passen. Vorsicht, Zurückhaltung, Schweigen, Aufmerksamkeit – von alldem hat auch die Musik etwas. Mit keinem Ton trumpft sie auf, sie beharrt auf nichts, sie ist ohne Erinnerung oder Zukunft, sie ist pure Präsenz.
Sie dreht sich um und freut sich darüber, dass er sich an den kleinen, runden Tisch gesetzt hat. Er hat anscheinend zwei kleine Flaschen Sekt mitgebracht, denn
er öffnet gerade eine der beiden plötzlich aufgetauchten Flaschen und gießt den Inhalt in eines der großen Wassergläser. Ja, das hätte auch ihr einfallen können, natürlich, er tut jetzt genau das, was auch sie hätte tun können.
Sie setzt sich neben ihn und wartet, bis er auch das zweite Glas gefüllt hat. Sie stoßen an, jetzt beginnt ihre erste gemeinsame Mahlzeit, es ist ein Frühstück, es ist eines jener schönen Gartenfrühstücke, wie die großen französischen Maler sie liebten. Maler, die das Atelier in ihre Gärten verlegten, Maler, die ihre Sinnlichkeit in der Sinnlichkeit der Gartenarbeit aufgehen ließen.
Sie greift nach ihrer Gabel, spießt eine der groben Landwürste auf und zerschneidet sie mit dem Messer in kleine Stücke. Dann bestreicht sie eine Scheibe Landbrot mit Butter und schneidet auch diese Scheibe in kleine Stücke. Jedes Stück Landbrot garniert sie dann mit einem Stück Wurst und reicht ihm schließlich den Teller. Dann wiederholt sie das Schneiden und Zerkleinern und füllt auch für sich einen Teller mit vielen Portionen kleiner belegter Brote.
Sie genießt es, endlich nahe bei ihm zu sein und so dicht neben ihm zu sitzen, dass sie ihn jederzeit berühren oder an sich ziehen kann. Sie weiß genau, dass so etwas ganz einfach wäre, es wird sich aus der Situation heraus ergeben, denn sie sitzen nicht nebeneinander wie Fremde, sondern wie ein Paar, das sich längst nahe ist. Endlich hat das Alleinsein ein Ende, und endlich sitzt neben ihr ein
Mensch, dessen Anwesenheit ihre eigene Existenz stärkt und belebt. Seit Georgs Tod hat sie sich einen derartigen Menschen an ihrer Seite gewünscht, ja, das Alleinsein war schließlich kaum noch zu ertragen. Die Begegnungen und die Freundschaft mit Katharina haben ihr geholfen, in diesen Begegnungen war Georg gegenwärtig. Wenn sie Katharina umarmte oder Arm in Arm mit ihr spazieren ging, hatte sie das Gefühl, die Gegenwart mit der Vergangenheit zu verbinden. Jetzt aber, hier, in der Nähe des Geliebten, ist alles noch etwas anders. Georg ist nicht mehr aus einer Ferne heraus gegenwärtig, sein Bild hat sich vielmehr verwandelt. Seine Herzlichkeit, seine Liebe, seine Geduld – sie sind jetzt die Herzlichkeit, Liebe und Geduld des Geliebten.
Als sie das denkt und an diesem Punkt angekommen ist, ist sie den Tränen nahe. Sie schluckt ein wenig, und sie spürt, dass ihre Gefühle nun so stark sind, dass sie sich nur schwer beherrschen kann. Um sich abzulenken, trinkt sie einen großen Schluck Sekt, und ja, wahrhaftig, dieser Schluck löst die Verkrampfung, sie fühlt sich sofort wieder freier.
Sie frühstücken dann zusammen, sie gießt ihm Kaffee ein, und sie schneidet ihm später kleine Stücke Landbrot zurecht und belegt sie mit winzigen Stücken von reifem Käse. Die Sonne hat das Gartenhaus nun auch erreicht und strömt von einer Seite herein. Die Tür steht weit offen, der Raum scheint in diesem einfließenden Sonnenlicht zu vibrieren. Der Geruch des Kaffees verbreitet sich im ganzen Raum, dazu duftet es nach der gegrillten
Wurst und dem starken Käse, die Aromen sind dicht, als entströmten sie großen Lagern, die sich in Kellern unter der Erde befinden.
Das Frühstück endet mit dem Verzehr der lauwarmen Toastscheiben, in deren Mitte sie einen kleinen Klecks Landbutter verteilt, der
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