Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
Vom Netzwerk:
Abschied auf den Mund geküsst.
    »Klar.«
    Ella ging davon aus, dass sie ihn nie wieder sehen würde. Es war ein echter One-Night-Stand, dachte sie, während sie ihren Koffer öffnete und ihre wenigen Kleider auspackte. Dabei war es gar keine Nacht, sondern später Morgen. One-Morning-Stand. Sie lächelte über die Wortkreation und hatte schon jetzt das Gefühl, dass alles nur ein Traum gewesen war. One-Morning-Dream.
    Charles Aznavour.
    Sie musste lachen. So ein Blödsinn.
    Dann fiel ihr Moritz ein, und ihr Lachen erstarb.
    Wie hatte sie ihn nur vergessen können?
    Sie hatte ihn vergessen.
    Total vergessen.
    Und überhaupt hatte sie vergessen, weshalb sie eigentlich da war.
    Egal, dachte sie, das Leben spielt, wie es spielt.
    Sie zog sich aus und ging erst mal unter die Dusche.
    Zum Frühstück legte sie sich den Stadtplan neben den Teller mit den frischen Rollmöpsen und den anderen Fischen vom Büfett. Mit Soße, ohne Soße, klein und in mundgerechte Stücke geschnitten – und klar, der Hering, gepökelt, gesalzen und was noch alles, sie hatte sich einfach nicht entscheiden können, also hatte sie von jedem etwas genommen. Dazu Rührei und starker Kaffee, der hier in Thermoskannen gebracht wurde. Zwischendurch schaute sie hoch in Richtung Rezeption – und ärgerte sich gleich darüber. Worauf wartete sie denn? Auf Roger? Er war längst bei seinem Termin. Und hatte sie längst vergessen.
    Moritz, dachte sie. Kümmere dich um Moritz!
    Sie beugte sich über den Stadtplan, der ihr an der Rezeption ausgehändigt worden war. Ganz schön viel Wasser, dachte sie. Und das Hotel war vielleicht doch nicht ganz so glücklich gewählt, jedenfalls war es bis zur Altstadt, Gamla Stan, wie sie nun sehen konnte, ganz schön weit. Sollte sie laufen oder besser ein Taxi nehmen? Wenn sie ein Gefühl für die Stadt bekommen wollte, ging das am besten zu Fuß. Draußen schien die Sonne, und die Passanten trugen keine Jacken. Durch die Hotelscheibe sah es aus wie im Frühling. Ella aß alles auf und dachte dabei an Ben, der jedes Pfund an ihr liebte. Diese Soßen haben es sicherlich in sich, dachte sie, aber das kümmerte sie jetzt nicht. Sie war in Stockholm, sie würde sich keinerlei Einschränkungen auferlegen. Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Damit hatte sie ja schon angefangen.
    Zwanzig Minuten später war sie auf dem Weg. Alles geradeaus, das war einfach. Aber auch eintönig. An der Centralstation vorbei ging sie über eine große Brücke und hatte irgendwie das Gefühl, nicht dort zu sein, wo sie eigentlich hinwollte. Aber immerhin war sie schon mal auf der Halbinsel, jetzt brauchte sie einfach einen Platz, um noch einmal in aller Ruhe in den Stadtplan und den Stockholm-Führer schauen zu können. Ein Gartenrestaurant bot sich an. Einige kleine Tische waren gedeckt, der Wind wurde durch hohe Glasscheiben abgehalten. Nur, es kam gar kein Wind, dafür verdunkelte sich der Himmel, und es sah plötzlich sehr stark nach Regen aus. Komisch, gerade eben war es doch noch fast sommerlich gewesen, jetzt war Ella froh, dass sie ihre Jacke dabeihatte.
    Sie setzte sich an einen kleinen Tisch unter einen Baum, dessen weit ausladende Krone etwas Schutz nach oben versprach, und schaute dem Kellner entgegen, der mit zwei Karten kam.
    »Bitte nur einen Cappuccino«, sagte sie und erfasste im gleichen Augenblick, dass neben ihr, hinter ihr und vor ihr Touristen saßen, alle an kleinen Tischen, alle über Stadtpläne gebeugt und alle mit nur einer Tasse Kaffee. Das wird ihn nicht erfreuen, dachte sie und hob entschuldigend die Schultern. »Und gern noch ein Wasser«, fügte sie hinzu. Wenigstens ein bisschen mehr Umsatz.
    »Eeeeiiin Cappuccino«, er zog das Wort so lang, dass Ella die Ungeheuerlichkeit ihrer mageren Bestellung bewusst werden sollte, »und eeeeiiiin Wasser.«
    Sie nickte nur. Was sollte sie auch sonst tun, sie konnte ja kein Menü bestellen, nur damit der Mann zufrieden war.
    Aber der Cappuccino war erstklassig und das Leitungswasser, das er mit großer Geste in einem hohen Glas neben den Cappuccino stellte, ebenfalls. Auch noch Leitungswasser, dachte Ella. Sicherlich kostenlos. Dann halt ein gutes Trinkgeld. Vor allem, weil er ihr jetzt zulächelte und die Speisekarten wieder an sich nahm. »Dann heute Abend vielleicht fünf Gänge?«, fragte er, und sie mussten beide lachen. Und weil er plötzlich so gute Laune ausstrahlte, fragte ihn Ella auch gleich nach der Galerie. Die würde er ihr ja gern persönlich zeigen,

Weitere Kostenlose Bücher