Liebesnöter
gezweifelt. Wer nimmt schon sein ganzes Geld mit, wenn er mit dem Boot herumfährt. Aber du hast recht. Wenn schon vorher geräubert wurde, dann hat das gar nichts zu sagen.«
Roger ging ein paar Schritte am Bootshaus entlang und sah zu dem Haus hinüber. Ella folgte ihm.
»Vielleicht sollte ich doch noch mal nachfragen«, meinte er.
»Dann komm ich mit.«
»Du kannst doch im warmen Auto auf mich warten.«
Ella zögerte.
»Du hast doch nichts zu verbergen?«, fragte er und drehte sich zu ihr um.
»Ich?« Ella schüttelte den Kopf. »Was soll es da geben?«
»Eben«, sagte er und lächelte ihr zu. »Ich bin gleich wieder da, besänftige so lange den Taxifahrer.«
Auf dem Weg zum Hotel saß Roger eine Weile schweigsam neben ihr, schließlich legte er den Arm um sie. »Es wird langsam schwierig für mich, zwischen meinem Drehbuch und deiner Geschichte zu unterscheiden«, sagte er.
»Das musst du aber!« Ella warf ihm einen skeptischen Blick zu.
»In meinem Drehbuch verschwindet auch jemand.«
»Untersteh dich!«
»Ich habe mich eben mit drei Leuten unterhalten. Zwei haben auch mit dir gesprochen, der Dritte kam frisch hinzu.«
»Ach ja?«
»Ach ja.«
Roger kratzte sich am Ohr und sah in die Dunkelheit hinaus. Noch fuhren sie durch kleine Dörfer, aber am Himmel zeichnete sich schon der helle Widerschein der Großstadt ab.
»Und was ist daran so aufregend?«, wollte Ella nach einer Weile wissen.
»Aufregend war nichts. Die waren recht friedlich. Die Punkerin wollte Geld.«
»Geld?«
»Ja.« Er dehnte das Wort etwas und sah Ella direkt an. »Geld für eine Auskunft.«
»Okay, das kenne ich schon. Das wollte sie bei mir auch. Wie viel hast du ihr gegeben?«
»Fünfhundert Kronen.«
»Dann hat sie heute einen guten Schnitt gemacht. Von mir hat sie auch fünfhundert bekommen – für die Auskunft über das Geld und die Kreditkarten.«
Es war kurz still, nur die Reifengeräusche waren zu hören und der einschläfernd gleichmäßige Ton des Dieselmotors.
»Hat sie dir das auch erzählt?«
»Nein«, wieder streckte er das Wort, »mir hat sie etwas anderes erzählt.«
»Was denn?«
»Mir hat sie den Namen der Frau verraten, die kurz vor mir im Haus war.«
»Ach ja?«
»Ja, seltsam.« Er lächelte ihr zu. »Nicht Ella, sondern Inka.«
An diesem Abend fanden sie nicht zueinander. Ella spürte Rogers Vorbehalte. Glaubte er wirklich, sie sei die andere und spiele nur Ella? Andererseits, wie konnte er sicher sein? Sie wusste es ja manchmal selbst kaum. Aber letztendlich war es egal, wer von ihnen dort lag. Eine von beiden war tot, das Ganze war halbiert worden, da spielte es keine Rolle, welche Hälfte übrig geblieben war.
Sie waren im Hotelzimmer angekommen, und Ella fuhr sofort ihr Netbook hoch. Ihre Mail an Steffi war gesendet worden, aber bisher hatte Steffi nicht geantwortet. Lachte sie gerade zusammen mit Moritz über die dumme Ella?
»Und?«, fragte Roger, der sie beobachtet hatte.
»Nichts«, sagte Ella und hatte das sichere Gefühl, dass er ihr nicht glaubte.
»Warum vertraust du mir nicht?« Er hatte sich aufs Bett gesetzt, beide Arme hingen zwischen seinen Beinen hinab, und er schaute sie von unten herauf an, so wie ein enttäuschter Hund, der den versprochenen Knochen nun doch nicht bekommt.
»Ich kenne dich kaum, Roger, wir schlafen miteinander, aber ich weiß nichts von deinem Leben. Du hast eine Frau in Paris, du schreibst Drehbücher für Fernsehkrimis. Ich habe mein Leben noch vor keinem Menschen ausgebreitet – warum ausgerechnet vor dir?«
»Weil du vielleicht mit deinem Leben spielst?«
Ella klappte den Deckel des Netbooks zu und drehte sich auf ihrem Stuhl zu ihm um. »Du übertreibst! Du übertreibst maßlos!«
Ihr Ton war härter, als sie wollte. Sie spürte selbst, dass es nicht ganz echt klang.
»Du glaubst, dass ich dich benutze«, er lehnte sich etwas zurück, »Aber das tu ich nicht.«
»Du hast selbst gesagt, dass es dir schwerfällt, zwischen meiner Geschichte und deinem Drehbuch zu unterscheiden.«
»Tut es ja auch. Aber meine Drehbücher kann ich selbst steuern, wohingegen du nicht steuerbar bist.«
»Jetzt mach aber einen Punkt!« Ella zog die Augenbrauen zusammen. »Ich habe mich noch nie von jemandem steuern lassen und werde das sicher auch nie zulassen. Wie kommst du denn auf so eine abwegige Idee?«
Roger holte tief Luft und stand auf. »Es war ein anstrengender Tag heute«, beschwichtigte er. »Ein anstrengender Tag mit extrem vielen Eindrücken.« Er
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