Liebesschloesser
wieder zu einem kleinen Jungen. Wir hatten schon immer eine ganz besondere Beziehung zueinander. Bei ihr fühlte ich mich wohler als bei meinen Eltern. Vor allem nach dem Outing. Ich hätte nicht gedacht, dass meine Oma es so gelassen aufnimmt, ganz im Gegenteil, sogar fast erleichtert war, dass ich es mir endlich eingestanden hatte.
„Natürlich geht es mir gut. Hervorragend würde ich sogar sagen. Der Kreislauf spielt ein wenig verrückt und das linke Bein will auch nicht mehr so wie ich … Die nächste Tanzveranstaltung werde ich wohl ausfallen lassen müssen, aber der Friedhelm ist da eh mit seiner Familie im Urlaub …“
Frau Scholz räuspert sich laut und unterbricht meine Oma. Sie sehen sich an, meine Oma grinst und dann nickt sie. Ich runzle die Stirn und frage mich, was hier gerade passiert.
„Also Flo … Wir haben da ein Problem. Eigentlich hat die Hilde das Problem.“
Ich sehe fragend zwischen den beiden hin und her. Meine Oma grinst schon wieder, während sich Frau Scholz scheinbar nervös die Hände knetet.
„Was kann ich dabei tun?“, frage ich und spüre, wie sich mein Körper anspannt.
„Willst du etwas trinken? Wasser? Saft?“
Ich schüttle genervt den Kopf.
„Flo … du bist, also du stehst ja … Hast du eigentlich einen Freund?“, stottert Oma herum und verwirrt mich damit noch mehr.
„Was?“ Irritiert sehe ich sie an. Wovon zur Hölle redet sie da?
„Na, ich meine … bist du verliebt?“
„Ähm … nein …“
„Das ist gut!“, sagt sie und klingt erstaunlich erleichtert. „Das macht die Sache einfacher!“
„Die Sache? Welche Sache denn?“ Ich schaue zuerst Oma und dann Frau Scholz an. Oma fängt an zu kichern, aber Frau Scholz guckt, als wenn die Welt untergehen würde.
„Vielleicht ist das doch keine gute Idee, Inge“, flüstert sie, aber meine Oma wischt ihren Einwand mit einer energischen Handbewegung weg.
„Pass auf, Flori! Die Hilde hat einen Urenkel, den Jonas. Ein wirklich netter junger Mann. Ich habe ihn am letzten Wochenende kennengelernt und der Jonas, der hat seinen Eltern gesagt, dass er schwul ist.“
Ich starre sie mit weit aufgerissenen Augen an. Das ungute Gefühl in meinem Bauch nimmt weiter zu.
„Und?“
„Na ja, seine Familie ist nicht besonders glücklich deswegen …“
Frau Scholz schnauft im Hintergrund verächtlich. Oma sieht zu ihr hinüber.
„Sie sind genau genommen ziemlich aufgebracht. Auch die Hilde ist das. Da habe ich erst mal erzählt, dass du … also, dass du ja auch schwul bist und …“
„Oma!“, rufe ich entsetzt dazwischen. Aber sie winkt ab und ihr Blick lässt keine weiteren Widerworte zu. Sie kann wirklich streng gucken, und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat … aber ich finde, das geht eindeutig zu weit.
„Lass mich ausreden, Junge!“, sagt sie und augenblicklich klappe ich meinen Mund wieder zu.
„Also, wo war ich? Jedenfalls habe ich ihr von dir erzählt und sie hat dich ja auch schon einige Male gesehen. Sie findet dich nett und na ja, du siehst ja auch ganz normal aus.“
„Danke!“, werfe ich brummig ein und betrachte die Tür. Ich finde, es ist Zeit zu gehen. Das kann einfach nicht gut für mich enden.
„Aber das bist du doch. Ich bin schrecklich stolz auf dich. Du studierst fleißig und hast auch in der Schule immer gute Noten bekommen.“
Ich fühle, wie sich meine Wangen verfärben. Alles in mir schreit danach, aufzustehen und den Raum zu verlassen. Aber ich kann nicht. Ich sitze wie festgenagelt auf diesem beschissenen Stuhl und warte, was noch kommen wird.
„So“, sagt Oma und klatscht in die Hände. Sie sieht Frau Scholz triumphierend an. Aber diese scheint immer noch nicht überzeugt zu sein … von was auch immer.
„Kein Grund zur Beunruhigung. Flo hatte auch schon mal einen Freund. Der war sehr nett. Warum seid ihr eigentlich nicht mehr zusammen?“, wendet sich Oma an mich.
„Er hat mich betrogen!“, presse ich zwischen den Zähnen hervor. An Andy zu denken, tut immer noch weh. Ich mochte ihn gern, aber er hat sich als echtes Arschloch herausgestellt.
„Hm, dann war er doch nicht so nett, wie er auf dem ersten Blick schien“, sinniert sie, „aber das passiert eben manchmal. Schau ihn dir doch nur an, Hilde. Es ist alles in Ordnung mit ihm. Er ist hübsch, klug und sehr nett.“
Wenn ich jetzt auch noch meinen Mund aufmachen muss, damit Oma mein tadelloses Gebiss zeigen kann, flüchte ich wirklich.
„Oma!“, brumme ich genervt und schüttle den
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