Liebessterne ueber Nizza
stören, und so schaute Sienna sich verstohlen im Garten um, ob Conan möglicherweise in der Nähe war. Zu ihrer Überraschung sah sie Avril, die auf der Terrasse einen Busch beschnitt.
Eigentlich hatte Sienna sich nur nach dem Befinden der alten Dame erkundigen und sich für die Blumen bedanken wollen, doch ihre Schwiegermutter führte sie zu einer schattigen Gartenlaube, die von dunkelroten Rosen umgeben war. In der Nische befanden sich zwei Stühle und ein Tisch, auf dem eine große Karaffe mit eisgekühltem Orangensaft stand.
„Wie ich gehört habe, hattest du gestern Nacht einen kleinen Unfall“, sagte Avril, füllte zwei Gläser mit Saft und reichte Sienna eines.
Avril wusste also, was geschehen war. Sienna trieb es die Schamesröte ins Gesicht. Wer es ihr wohl erzählt hatte – Conan oder Claudette? Und war sie auch im Bilde, dass Sienna die Nacht in Conans Bett verbracht hatte?
„Es tut mir leid wegen der Vase“, sagte sie, bemüht, vom eigentlichen Thema abzulenken. „War sie sehr wertvoll?“
„Wertvoll nicht unbedingt. Mein Mann hat sie mir zur Verlobung geschenkt.“
„Oje, das tut mir wirklich leid“, wiederholte Sienna, sichtlich zerknirscht.
Doch Avril wischte ihre Schuldgefühle beiseite. „Nimm es nicht so schwer. Sie gehörte nicht gerade zu meinen Lieblingsstücken.“
Ihre Schwiegermutter wirkte überraschend gelassen. Dabei musste ihr die Vase viel bedeutet haben. Tat die Frau nur so, damit Sienna sich nicht so unbehaglich fühlte?
„Ich weiß, dass ich ihren ideellen Wert nicht ersetzen kann, aber darf ich dir zumindest eine neue kaufen?“, bot sie an.
„Ach was“, entgegnete Avril. „Wie du schon sagtest, man kann sie nicht ersetzen, also spar dir die Mühe.“
Zu Siennas Überraschung ergriff die Frau ihre Hand. „Außerdem kann mir Conan jederzeit eine neue kaufen. Er ist sehr aufmerksam und erfüllt mir jeden Wunsch.“ Ihr Tonfall klang fast schwärmerisch.
Als sie Conans Namen hörte, stieg Sienna sofort Röte ins Gesicht.
„Er ist ein … guter Sohn.“
Avrils Augenbrauen schnellten unter ihrem Sonnenhut in die Höhe. Hatte sie etwa bemerkt, dass Siennas Stimme zitterte? Mit dem nächsten Satz wurde der Verdacht zur Gewissheit. „Glaube ja nicht, dass du an ihn herankommen kannst. Das haben schon viele Frauen versucht, und viele von ihnen waren – entschuldige bitte – wesentlich durchtriebener und schlauer als du. Sie alle wurden früher oder später enttäuscht.“
„Vielleicht hat er einfach noch nicht die Richtige gefunden“, entgegnete Sienna und ärgerte sich im selben Moment über ihre Gedankenlosigkeit. Avril war der Ausrutscher ebenfalls nicht entgangen, denn sie sah die Schwiegertochter verwundert an. „Keine Angst, ich werde dir nicht noch einen Sohn wegnehmen.“ Sienna hatte nicht verbittert klingen wollen, konnte es aber nicht verhindern.
„Oh, ich habe Conan schon vor langer Zeit verloren“, erwiderte die ältere Frau zu Siennas großer Verblüffung. „Deswegen konnte ich dich damals wohl auch nicht so schnell akzeptieren, wie du es verdient hättest. Ich hatte Angst, dass ich auch meinen jüngsten Sohn verlieren würde.“
Was – am Ende – tatsächlich passiert war! So ein sinnloser Tod, dachte Sienna und verspürte Mitleid mit ihrer Schwiegermutter.
„Wie meinst du das, du hast ihn verloren?“, hakte sie nach, weil sie wissen musste, was die Bemerkung bedeuten sollte. „Ich habe immer gedacht, ihr beide …“
„Wir würden zusammenhalten?“ Avril lachte nervös auf, dann machte sie ein trauriges Gesicht. „Nach außen haben wir zumindest so getan“, sagte sie leise. „Darin ist unsere Familie immer gut gewesen.“ Sie hob das Glas und nahm einen großen Schluck. Als sie es wieder abstellte, schaute sie in Richtung der Rosen. „Ich habe ihn im Stich gelassen. Und dafür werde ich mir mein Leben lang bittere Vorwürfe machen.“
„Im Stich gelassen?“
Die Frau schüttelte ein paarmal den Kopf, als könne sie über so private Themen nicht sprechen.
„Du musst etwas richtig gemacht haben“, munterte Sienna sie auf. „Sonst wäre er nicht so selbstbewusst, erfolgreich, vernünftig und … zuverlässig.“
Wieder warf ihr Avril einen wissenden Blick zu. „Nun … bei dir scheint er ja sehr gut anzukommen.“
Sienna war gar nicht aufgefallen, wie sehr sie von Conans guten Eigenschaften geschwärmt hatte. Damit Avril nicht zu viel von ihren wahren Gefühlen für den Sohn erfuhr, wechselte sie das Thema.
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