LIEBESTRAUM AN DER COTE D'AZUR
Leben zu bleiben. Du siehst aus, als hättest du vor Wochen die letzte anständige Mahlzeit gehabt.“
Sie wusste, dass sie an Gewicht verloren hatte, aber der Arzt hatte ihr versichert, dass sie sich deswegen keine Sorgen machen müsse.
„Mir geht es gut. Es ist nicht deine Angelegenheit, was ich esse und was nicht.“
Er stellte das Glas, das sie nicht angerührt hatte, auf den Couchtisch. „Richtig. Welchem Umstand habe ich die Ehre deines Besuchs zu verdanken?“
Jane stand auf, erleichtert, dass sie sich nicht mehr benommen fühlte.
„Ich wollte dir etwas sagen.“
Kühl musterte er sie von oben bis unten. „Ach, könnte es sein, dass du doch auf mein Angebot zurückkommen möchtest? Ist dir im kalten, grauen England bewusst geworden, welche Chance dir entgangen ist?“
Ihr verschlug es für einen Moment die Sprache. „Deine Arroganz ist unglaublich!“, empörte sie sich. „Ich hätte nie gedacht, dass du über ein derart aufgeblasenes Ego verfügst, aber offensichtlich habe ich mich in dir getäuscht.“
„Na schön, warum bist du dann hier?“, fragte er spöttisch. „Doch sicher nicht, um über alte Zeiten zu plaudern, oder? Wenn ich mich recht erinnere, konntest du mich nicht schnell genug von hinten sehen.“
Das fängt ja gut an, dachte sie. Erst falle ich fast in Ohnmacht, und jetzt denkt er, ich hätte es mir anders überlegt und wollte doch seine Mätresse werden.
„Hör zu, ich muss dir wirklich etwas sagen, und es fällt mir nicht leicht.“ Sie war froh, dass er sich hinter seinen Schreibtisch setzte. Der Abstand tat ihr gut. „Also, es ist so … Ich weiß, dass ich gesagt habe, es wäre in Ordnung, aber ich habe mich geirrt, und die Wahrheit ist, dass …“
„Ja?“, hakte er barsch nach.
Sie hob das Kinn und sah ihn an. „Ich bin schwanger.“
Im Raum herrschte atemlose Stille. Xavier zeigte keine Regung. Sein Gesicht war maskenhaft starr, und Jane wurde klar, warum er als Geschäftsmann so erfolgreich war: Er hatte das perfekte Pokerface. Da stand er auf und stellte sich mit dem Rücken zu ihr ans Fenster.
„Xavier …“
„Ich habe gehört, was du gesagt hast.“ Abrupt drehte er sich um und blickte sie eindringlich an. „Ist das Kind von mir?“
„Natürlich ist es von dir! Wie kannst du es wagen, mir eine solche Frage zu stellen? Ich hatte bestimmt Besseres zu tun, als mir einen neuen Liebhaber zu suchen, kaum dass ich zu Hause war, und schwanger zu werden in der Absicht, dich ausfindig zu machen, um das Baby als deins auszugeben!“
Mit fahriger Bewegung strich er sich durchs Haar, und zum ersten Mal entdeckte sie feine Fältchen in seinem Gesicht, die früher nicht da gewesen waren. Xavier sah müde aus.
„Es tut mir leid. Das war ein bisschen viel auf einmal. Wann soll das Kind zur Welt kommen?“
„Im März.“
„Also ist es beim ersten Mal passiert.“
„Ja.“ Jane errötete. Viel zu deutlich waren die Erinnerungen an die berauschenden Stunden in seinen Armen. Sie wich seinem Blick aus, fing hastig an zu erklären: „Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt. Du musst dich nicht im Geringsten verantwortlich fühlen, und ich erwarte nichts von dir. Ich werde das Kind allein großziehen. Du kannst uns gern besuchen, wann immer du willst. Aber vielleicht sollte ich dir erst einmal Zeit lassen, dich an den Gedanken zu gewöhnen, dass du Vater wirst.“ Sie legte eine Visitenkarte auf den Tisch. „Hier sind meine Adresse und Telefonnummer.“
Jane war schon an der Tür, als er aus seiner Erstarrung erwachte. „Jane, warte … Wir müssen darüber reden.“
Da öffnete sich die Tür, und Molly stand da, hinter ihr einekleine Gruppe elegant gekleideter Geschäftsmänner.
„Nicht jetzt, Molly, bitte.“
Obwohl Jane nicht angesprochen war, zuckte sie bei seinem scharfen Ton zusammen. Molly hingegen ließ sich nicht beirren.
„Mr. Salgado, die Herren sind aus Tokio. Sie erinnern sich bestimmt, dass sie in London nur eine Stunde Aufenthalt haben, ehe sie nach New York weiterfliegen? Sie selbst hatten ausdrücklich um dieses Treffen gebeten.“
Jane nutzte die Gelegenheit, nickte Molly freundlich zu und schlüpfte an ihr vorbei, um ihren Mantel zu nehmen und zu verschwinden.
Am Abend versuchte Jane vergeblich, sich zu entspannen. Sie war völlig aufgedreht. Wahrscheinlich würde sie erst zur Ruhe kommen, wenn Xavier das Land wieder verlassen hatte.
Es klingelte.
Könnte es sein, dass … Sie wagte es nicht, den Gedanken zu Ende zu denken,
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