Liebeswut (Junge Liebe) (German Edition)
Mensch?
Er ging schneller, und dann wurde das Bild vor seinen Augen
deutlicher. Auf dem Fußweg lag eine Person, zusammengekauert
und von Schneeflocken bedeckt. Dirk beugte sich herab, fasste
nach dem regungslosen Körper und erstarrte.
„Neal! Mein Gott, Neal!“, schrie er. Er drehte den Leib herum, sah
in das Gesicht seines Freundes, sah die blau verfärbten Lippen, die
vor Kälte blassen Wangen ... und dann das Blut.
„Neal!“, schrie Dirk völlig aufgelöst. „Werd’ doch wach! Bitte!“
Er griff nach Neals Körper, schüttelte ihn.
„Bitte! Mach’ die Augen auf.“
Da kam ein leises Stöhnen aus Neals Mund. Dirk schüttelte ihn
noch heftiger. „Hörst du mich?“
„Ah, nein! Hilfe!“ Neal schlug um sich. Dann versuchte er, sein
Gesicht mit den Händen zu schützen. „Lass mich!“
„Aber, ich bin’s doch nur!“
Da schlug Neal die Augen auf. Ängstlich sah er seinen Freund an.
„Ich bin’s“, wiederholte Dirk. „Bleib ruhig.“
Neal atmete erleichtert auf. Die beruhigende Stimme holte ihn in
die Realität zurück.
„Was um alles in der Welt ist passiert? Du bist ja halb erfroren.“
„Ich weiß nicht ...“, sagte Neal leise. Seine Zähne klapperten, und
sein Körper schien vor Kälte erstarrt. „Ich friere so ...“
„Du musst sofort ins Warme.“ Dirk umfasste Neals Körper und
hob ihn sachte vom Boden auf. Auf seinen Armen trug er ihn nach
Hause zurück.
Behutsam legte Dirk seinen Freund auf das Bett.
„Du musst deine Klamotten ausziehen“, sagte er. „Die sind ja
klitschnass!“
Neal schloss die Augen, sein ganzer Körper zitterte vor Kälte.
„Komm’, ich helfe dir.“ Fürsorglich streifte Dirk die feuchten
Sachen von Neals Leib, dann deckte er ihn mit der Decke zu.
Besorgt begutachtete er Neals Verletzungen. An seiner Stirn und
am Mundwinkel klebten Blutreste.
„Wie ist das passiert?“
„Ich wurde verprügelt“, sagte Neal leise. „Das tat so weh.“ Erneut
überkam ihn ein Zittern.
„Du musst richtig warm werden. Du bist ja völlig unterkühlt.“
Dirk verließ ihn, um im Badezimmer heißes Wasser in die
Badewanne laufen zu lassen. Als er zurück ins Schlafzimmer kam,
setzte er sich zu seinem Freund an das Bett und streichelte dessen
blasses Gesicht.
„Nun erzähl’ mal genau – was ist vorgefallen?“, fragte er
eindringlich.
„Ich weiß nicht mehr. Es ging so schnell ...“
„Aber, du musst doch noch etwas wissen ... bitte, denk nach.“
Neal verzerrte angestrengt das Gesicht. „Ich bin hier losgegangen.
Das weißt du ja auch ...“
„Ja, und weiter?“ Gespannt starrte Dirk ihn an.
„Jemand ging hinter mir her, einer rief meinen Namen ... und als
ich mich umdrehte, da bekam ich schon einen Schlag mitten ins
Gesicht.“
„Wie fürchterlich!“ Dirk drückte Neal fest an sich. „Weißt du
noch Einzelheiten?“
Doch Neal schüttelte den Kopf. „Nicht genau ... Ich fiel zu Boden
und dann haben die mich getreten!“
Dirk stutzte. „Das waren mehrere?“
„Ja, ich glaube ... Ich hörte viele Stimmen und Gelächter ... und
dann muss ich wohl das Bewusstsein verloren haben.“
„Ich kann das nicht glauben“, sagte Dirk betroffen. „Wer tut denn
so was?“
Neal seufzte. „Keine Ahnung.“
„Jetzt musst du erst mal baden“, entschied Dirk. Er nahm Neals
nackten Körper auf den Arm und trug ihn, wie ein besorgter Vater,
in das Badezimmer. Dort legte er ihn vorsichtig in die Wanne.
Neal schloss entspannt die Augen, und ein kleines Lächeln
erschien auf seinen Lippen.
„Mmh, das tut gut ...“ Er sah seinen Freund dankbar an.
„Du bleibst so lange in der Wanne, bis du glühst vor Hitze,
verstanden?“ Dirk strich Neal über das geschundene Gesicht.
„Wie kann dir jemand bloß so etwas antun? Ich begreife das
nicht.“
Mit bestürztem Gesicht verließ Dirk das Badezimmer. Bei dem
Gedanken daran, wie sehr Neal gelitten hatte, drehte sich ihm der
Magen um. Ihm schossen Tränen des Zorns in die Augen. Still und
verbittert liefen sie über sein hartes Gesicht. Dann wischte er sie
gefasst wieder weg.
„Wer auch immer es war – der wird büßen!“, fluchte er vor sich
hin. Und just in dem Moment durchschoss Dirk eine Vermutung.
Eilig rannte er zurück ins Badezimmer.
„Du hast gesagt, jemand hat deinen Namen gerufen?“
„Äh, ja ...“ Neal nickte.
„Dann muss es doch jemand gewesen sein, der dich kennt“, stellte
Dirk fest.
„Ja, stimmt.“ Daran hatte Neal noch gar nicht gedacht. Doch
konnte er auch in der
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