Liebhaberstück Xenia (German Edition)
„Schmeckt es dir?“
Kauend nickte er.
„Ist sonst alles nach deinem Geschmack?“
Wieder um nickte er.
„Verdammt, Hartmann, du bist so schweigsam! So kenne ich dich gar nicht!“ Ich hieb meine Faust auf den Tisch. „Rede mit mir! Das ist dein Wochenende. Sag mir deine Wünsche, sonst kann ich sie dir schlecht erfüllen, oder?“
Sein Weinglas schwenkend betrachtete er den Schwung der roten Flüssigkeitssäule. „Ob du es glaubst oder nicht, Kle ines, mir fehlen die Worte.“ Er nahm einen Schluck und ließ den Wein schneller kreisen. „Es ist phantastisch. Du bist phantastisch. Mach einfach weiter so! Es ist perfekt.“ Er stellte das Glas hin und sah mich an.. „Einen Wunsch hätte ich allerdings.“
„Und we lchen?“
„Nenn mich Thorsten ! Oder..“, er grinste mich an, „wie hat diese Flaschengeist-Lady ihren Typen immer genannt? Ach ja, Meister . Das klingt auch okay, findest du nicht? Am besten in der Kombination Herr und Meister . Je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir das. Wenn dir also mein Vorname nicht zusagt…“
„Doch, doch !“, unterbrach ich ihn schnell. „ Thorsten ist gut.“
Sein Grinsen vertiefte sich zu einem Synonym der Selbstgefälligkeit. „Geht doch!“
Ich hätte eben nicht fragen dürfen!
Verflucht, schon so spät!
Das Abendessen hatte sich länger hingezogen, als ich vorher berechnet hatte, und jetzt waren es nur noch fünfzehn Minuten bis Mitternacht, bis zu seinem Geburtstag. Und ich musste noch das Ritual vorbereiten!
Rasch erledigte ich in der Küche nur das Nötigste. Als die Geschirrspülmaschine traulich summte, nahm ich den Korb, der alle Utensilien enthielt, verstaute auch die Champagnerflasche aus dem Kühlschrank darin und brachte alles ins Wohnzimmer zu dem freien Platz vor dem Fenster, wo eigentlich der Esstisch hätte stehen sollen.
„Ich habe Durst“, sagte Hartmann, als ich an ihm vorbeieilte. „Mineralwasser wäre jetzt nicht schlecht!“
Auch das noch!
Ein unwilliges Schnauben unterdrückend brachte ich ihm das Gewünschte. Er saß auf dem linken der beiden Sessel und schaute sich im Fernsehen irgendwelche Sportnachrichten an. Die Digitaluhr oberhalb des Fernsehers zog meine Aufmerksamkeit auf sich.
Noch vier Min uten. Das würde knapp werden!
Den rechten Sessel musste ich noch beiseite schieben, dann kniete ich mich auf den Boden, entzündete ein Windlicht nach dem anderen und stellte es in einem großen Kreis auf. Meine Kristalle - Amethyst, Rosenquarz, Fluorit und die anderen - legte ich dazwischen.
„Was machst du eigentlich da?“ Irritiert blickte Hartmann zu mir herüber. „Ich hatte gedacht, wenn du in der Küche fertig bist, kommst du her und wir wälzen uns hier ein bisschen auf dem Sofa.“
„Später! Schau ruhig diesen Sportkram zu Ende.“ Noch zwei Minuten!
„ Der ist schon vorbei.“
„Dann schau irgendwas! Ich bin gleich fertig.“
„Fertig mit was?“
„Vertrau mir!“ Eilig lief ich in die Küche, um die flache Muschel mit Wasser zu füllen, die wir bei einem der Standspaziergänge in Schottland gefunden hatten.
Neun Minuten nach zwölf – egal! – schaltete ich den Fernseher und das Licht aus. „Komm!“ Ich wies auf den Kreis aus Kerzen- und Kristallschein, den ich vor dem Fenster geschaffen hatte und der groß genug war, zwei Menschen zu fassen.
Hartmann erhob sich zögernd und ließ sich mit einem Blick, der skeptisch oder neugierig oder beides war, von mir in den Kreis dirigieren. Ich trat ebenfalls hinein, deutete Hartmann an, sich zu setzen und kniete mich ihm gegenüber. Die Dinge, die ich brauchte, rückte ich zwischen uns zurecht, allen voran eine riesige, mit Vogelsand gefüllte Obstschale aus Keramik auf einem Topfuntersetzer sowie drei Packungen mit je zwanzig trinkhalmdünnen Gesteckkerzen.
„Wie alt wirst du ?“, fragte ich.
„ Dreiundvierzig, wieso?“
Statt einer A ntwort zählte ich die Kerzen ab, zündete sie an einem der Windlichter an und steckte sie in den Vogelsand. Die Verpackung der Kerzen ließ ich in meinem Korb verschwinden.
Es hatte etwas Mystisches, wie ich mit Thorsten in dem Ring aus Feuer saß, ein Meer von dreiundvierzig züngelnden Flammen zwischen uns, deren pulsierendes Licht sich an den Kristallen brach. Ich hoffte, dass ich gut aussah, zog zur Sicherheit den Bauch ein und zupfte die Rose über meinem Ohr zurecht.
Überrascht stellte ich fes t, dass ich aufgeregt war, obgleich so ein Ritual, vor allem ein so einfaches, für mich
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