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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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von Millionen nervösen Gehirnzellen zum Schweigen gebracht. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum man diesen Bereich zum Zentralnervensystem zählt.
    »Ehm«, wiederholte sich Jason.
    Die beiden blickten sich an.
    Gerade, als Jason spürte, wie ihm allmählich die Darmmuskeln den Dienst versagten – natürlich wüßte er nicht, was Angst ist; offenbar hatte er nur etwas Falsches gegessen –, stieß die Gestalt ein leises Winseln aus, drückte beide Hände auf die Ohren und rannte, so schnell die Beine sie trugen oder vielleicht noch ein bißchen schneller, wieder den Berg hinunter. In Jasons Kopf setzte eine kleine Gehirnzelle ein süffisantes Lächeln auf, sprach: Habe ich dir ja gleich gesagt, und fragte sich schließlich, warum es ihr so schwerfiel, Freundschaften zu schließen. Unterdessen stürmte Jason den Berg hinunter der Gestalt hinterher, und als diese über ihre wallende schwarze Kutte stolperte und mit dem Kopf voran der Länge nach hinfiel, befand er sich nicht mehr weit hinter ihr.
    »Neiiiiiin!« rief sie und rollte sich wie ein stachelloser Igel zu einer festen zitternden Kugel zusammen.
    »Komm da raus, du!« forderte Jason sie in strengem Ton auf. Es ist schon erstaunlich, welche Auswirkungen der Anblick eines sich furchtsam zusammenkauernden Feindes auf den eigenen Wortschatz haben kann; wäre Jason in diesem Moment nach einem Wort mit der Bedeutung ›durch drohende Gefahr oder heraufziehendes Unheil hervorgerufenes quälendes Gefühl‹ gefragt worden, hätte er wahrscheinlich ›Seekrankheit‹ geantwortet.
    »Nein.«
    »Dann eben nicht«, fauchte Jason. »Ist mir auch recht.«
    In Windeseile entrollte sich die Kugel, und Jason erblickte zwei Augen, die ihn von unten aus den Tiefen der leichentuchähnlichen Kapuze heraus anstarrten.
    »Erzähl ihn bitte nicht!« flehte die Gestalt.
    Jason blinzelte zwar, schaffte es aber, den strengen, unbarmherzigen Gesichtsausdruck beizubehalten und nicht loszukichern. »Mal sehen«, entgegnete er. »Was genau soll ich nicht erzählen?«
    »Den Witz«, bettelte die Gestalt. »Egal, was du tust, erzähl ihn bitte nicht. Ich will beileibe nicht behaupten, daß du ihn nicht großartig vortragen könntest, aber …«
    Jason erinnerte sich. Natürlich: der Witz; Gelos’ Witz, der große Witz, der Witz der Witze. Also das war’s, wovor die alle Angst hatten …
    »Kommt ein Typ in …«, fing er schonungslos zu erzählen an, »nein, kommt ein Typ in die Eisenwarenhandlung, klar, und fragt …«
    »Neiiiiiiiiiiiiin!«
    »Nur keine Panik. Alles in Ordnung«, sagte Jason. »Ich habe nur Spaß gemacht. Aber du richtest deinen Kumpels da unten aus, das nächste Mal …«
    »Ja. Klar.«
    »Kapiert?«
    Die Gestalt nickte heftig. Hätte sie einen Schwanz gehabt, hätte sie damit gewedelt, und dann wäre es mit Jasons strengem, unbarmherzigem Gesichtsausdruck ein für allemal vorbei gewesen.
    »Sehr schön. Und jetzt schieb ab.«
    Die Gestalt rappelte sich auf, warf Jason einen Blick zu, aus dem pures Entsetzen sprach, und sprang den Abhang hinunter in die dicht geschlossenen Reihen der Geisterkrieger, die ein Stück zurückwichen. Der Adler, der oben seine Kreise gezogen hatte, stieß herab und stürzte sich auf Jasons Schulter.
    »Aua!« fluchte Jason.
    Der Adler beachtete ihn nicht und hielt ihm den Schnabel ans Ohr. Flüstern können Adler wegen des Knochenbaus ihrer Schnäbel natürlich nicht.
    »Ja«, sagte Jason. »Prima.«
    Der Adler breitete die Flügel aus und schwang sich in die Lüfte. Jason seinerseits drückte das Rückgrat durch, schob die Schultern zurück und blickte dem himmlischen Heer ins Angesicht, das sich unter ihm in dem durch Berghänge gebildeten natürlichen Amphitheater aufgestellt hatte. Er holte tief Luft und versuchte sich vorzustellen, er trage einen auffallenden karierten Anzug und eine rote Pappnase.
    »Meine Damen und Herren«, rief Jason, »auf dem Weg in den Kaukasus ist mir heute abend etwas Lustiges passiert. Ich ging so vor mich hin und dachte an nichts Böses, als dieser Mann …«
    Er verstummte und blickte nach unten. Sämtliche Geisterkrieger, Ideen und Götter waren verschwunden, hatten sich in Luft aufgelöst. Er war allein. Natürlich bis auf den dreiköpfigen Hund; und den Adler, der über ihm schwebte und zustimmend nickte.
    »Es liegt an der Art, wie du ihnen den Witz erzählst«, sagte der Adler.
     
    »Sieh mal!« forderte ihn der Adler auf.
    Jason wandte sich um. »Wo?« fragte er.
    »Da!« antwortete der Adler. Da

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