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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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energisch und marschierte aus dem Wintergarten hinaus.
    Auweia, das wird vielleicht wieder eine Sitzung! seufzte Mars im stillen.
    Apollo traf er in der Bibliothek an, Diana in der Turnhalle und Neptun neben dem Swimmingpool. Anschließend rannte er los, um Demeter zu suchen, die sich ausnahmsweise nicht in der Küche befand, wo er statt dessen Pluto begegnete, der sich gerade eine Tasse Tee zubereitete.
    »Vorstandssitzung«, informierte ihn Mars.
    »Nein, wirklich?« fragte Pluto. »Na so was!« Der Löffel zwischen seinen Fingern wand sich, zischte und glitt schlangenartig hinters Spülbecken.
    Wie sich herausstellte, hielt sich Demeter im Gemüsegarten auf und goß gerade die Sonnenblumen. Sie reagierte mit der Frage: »Was ist eine Vorstandssitzung?«, und auf Mars’ Erklärung hin erkundigte sie sich, ob solch ein Anlaß ein guter Zeitpunkt sei, um das Problem des Regengelds für Wolkenhirten anzuschneiden. Als Mars losrannte, um den Rest der zur Beschlußfassung erforderlichen Vorstandsmitglieder zusammenzutrommeln, ertappte er sich beim Grübeln über die Frage, warum er sich überhaupt die ganze Mühe machte.
    »Allmächtige Götter!« fluchte er vor sich hin.
     
    Peng! Klirr!
    »So!« sagte Jason. »Erklärst du’s mir jetzt?«
    Die Erde bebte. Langsam, ganz langsam, furchtbar langsam streckte der Titan Muskeln, die er seit dem Untergang von Atlantis nicht mehr gerührt hatte. Er wackelte mit den Zehen und wirbelte dabei die Bodenkrume zu einer kreisenden Wolke auf.
    »Es ist nur so«, fuhr Jason fort, »in letzter Zeit sind so viele ausgesprochen verrückte Dinge geschehen, in die ich alle verwickelt bin, daß ich, wenn mich nicht bald jemand in die ganze Sache einweiht …«
    Stellen Sie sich das Geräusch – das letzte, was wir wollen, sind endlose Prozesse zur Durchsetzung der Produkthaftungspflicht, deshalb werden wir immer nur einen Bereich der Sinneswahrnehmung auf einmal strapazieren –, stellen Sie sich also das Geräusch eines Gletschers vor, der sich statt mit dem üblichen einen Kilometer in zweitausendfünfhundert Jahren mit fünfundsechzig Kilometern in der Stunde durch die Landschaft schiebt. So klang es, als sich Prometheus auf den Knien aufrichtete.
    Der nächste Sinn, den wir durch schiere Unermeßlichkeit zerrütten werden, ist der Gesichtssinn. Stellen Sie sich einen Berg vor, der sich vor Ihren Augen erhebt, sich streckt, jammert und schließlich aufrecht dasteht. So sah es aus, als Prometheus aufstand.
    Stellen Sie sich zum Schluß ein Erdbeben vor, wie es stattfände, wenn irgendeine riesige und übelwollende Gottheit die Erde wie einen gigantischen Pickel zusammendrücken würde und dadurch flüssiges Magma aus allen halberloschenen Vulkanen, Verwerfungen und Spalten spritzen ließe. Solch ein Gefühl hatte man, wenn man im Kaukasus stand, als Prometheus wieder landete, nachdem er einen Satz in die Höhe getan, mit der Faust durch die Luft geschlagen und aus vollem Halse »Juchhe!« geschrien hatte.
    »Wenn du dich vielleicht allmählich beruhigen würdest«, nörgelte Jason.
    Der Titan warf einen Blick auf den winzigen Punkt zu seinen Füßen und grinste. »Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich würde gern ein Weilchen mit dir plaudern, aber ich muß los. Frag den Adler, er … nein, sie wird dir alles erklären.«
    Daraufhin eilte der Titan mit Riesenschritten davon, die ganze Berge überbrückten. Aus weiter Ferne hörte Jason ein Geräusch, das so klang, als schlüge jemand Großes und Starkes mit der Faust in die Hand und riefe: »Jetzt geht’s los!«
    »Na denn«, sagte Jason und machte sich an den Abstieg. Er war etwa dreißig Meter weit gekommen, als neben ihm ein Fuß von der Größe des Yorkschen Münsters landete.
    »Jason Derry?«
    Metaphern sind eine verzwickte Sache: Aus der Haut zu fahren ist eigentlich nicht möglich, aber man kann es zumindest versuchen, und Jason versuchte es.
    »Du bist doch Jason Derry, oder?« Die Stimme klang ein wenig gedämpft, aber das lag an der dichten Wolkendecke, die die Worte auf dem Weg zu Jasons Ohren durchdringen mußten. »Ist er weg?«
    Jason blickte nach oben und reckte den Hals, bis er das Gefühl hatte, ihn sich auszurenken. Doch schließlich entdeckte er gerade eben, weit oben am Himmel, eine Gürtelschnalle. »Wer denn?« fragte er scheinheilig. Da verzogen sich seine Lippen aus keinem ihm ersichtlichen Grund zu einem Lächeln, und er spürte, wie ihm hustenartig kratzend ein Lachen durch die Lunge kroch. Es war

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