Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
und ihre Kleidung kann man im weitesten Sinne als konventionell betrachten. Im Gegensatz zu ihrer Kollegin trägt sie allerdings eine Schärpe, auf der aber nicht Luxus, sondern ›Miß Persönlichkeit der nordwestlichen Region 1992‹ steht – vermutlich in der vagen Hoffnung, bezüglich ihrer äußeren Erscheinung beim Betrachter wenigstens noch etwas der Einbildung zu überlassen. Im zusammengepreßten Mund hält sie zwei Haarnadeln, und sie wirkt alles andere als erfreut.
    »Fertig?« nuschelte sie durch die Haarnadeln hindurch.
    »Wie bitte?« erkundigte sich Jason erstaunt.
    »Ach, nun mach schon«, nörgelte Luxus. »Ich habe ein Zitronensoufflé im Herd, also laß uns keine Zeit vertrödeln.«
    »Ach so, na gut«, murmelte Jason verlegen, wobei er leicht errötete. »Soweit ich weiß, habe ich die Wahl, stimmt’s?«
    »Allerdings«, seufzte Luxus, »und wenn du dich jetzt endlich zu einer Entscheidung durchringen könntest, wären wir dir beide unendlich dankbar.«
    »Ehm …«, stammelte Jason.
    »Paß auf, falls du Angst hast, unsere Gefühle zu verletzen, vergiß es einfach, klar? Also, jetzt entscheide dich bitte, damit wir alle mit den uns zugewiesenen Aufgaben weitermachen können«, drängte Luxus.
    »Ihr müßt schon entschuldigen, aber sollten hier nicht Straßen sein?«
    Die beiden Mädchen blickten sich stirnrunzelnd an. »Was sollte hier sein?«
    »Straßen, eine Straßengabelung«, erklärte Jason. »Eine schmale Straße führt direkt geradeaus den Berg hinauf, und von weitem erkennt man bereits die Zinnen der Leuchtenden Stadt. Die andere Straße ist breit und führt den Berg hinab nach – wie heißt das noch mal? –, na ja, nach Dingsda eben.«
    Die beiden Mädchen blickten sich erneut verdutzt an.
    »Ah ja, jetzt, da du davon sprichst, verstehe ich dich … jedenfalls einigermaßen«, sagte Tugend. »Da du aber bereits alles darüber weißt, hast du bestimmt nichts dagegen, wenn wir uns wieder …«
    »Ehm, ja natürlich. Aber …«
    Dreißig Sekunden verstrichen. Luxus blickte auf ihre Halskettenuhr, was in Anbetracht der Lage der Uhr keine große Leistung war.
    »Tut mir leid, und es liegt mir fern, euch zu belästigen, aber auf diese Straßen muß ich leider bestehen«, beharrte Jason.
    Es war ein tiefes Seufzen zu vernehmen, dann sagte Luxus: »Wie du willst. Würdest du dich aber bitte noch eine Minute lang gedulden, während ich das Gas runterdrehe? Tutu, wärst du so lieb, das mit den Straßen für mich zu erledigen?«
    »Klar, Lulu«, willigte Tugend ein.
    Jason staunte nicht schlecht; direkt vor ihm lagen zwei Straßen, die genauso aussahen, wie er sie sich vorgestellt hatte – mit Ausnahme davon, daß die Straße von Luxus nicht mit Primeln, sondern mit Veilchen gepflastert war und daß am Rand der Straße von Tugend ein großes Schild stand, auf dem NÄCHSTE TANKSTELLE ERST NACH 300 KILOMETERN zu lesen war.
    »Reicht dir das?« erkundigte sich Tugend.
    »Na ja …«, murmelte Jason. Die Geschichte stellte sich leichter dar als erwartet, aber dennoch …
    In diesem Augenblick kam Luxus zurück, die sich gerade eine Schürze abnahm, auf der DIE BESTE KÖCHIN DER WELT stand. »Hast du’s hingekriegt, Tutu?«
    »Einigermaßen, Lulu«, antwortete Tugend. »Trotzdem sollten wir morgen lieber jemanden kommen lassen, der sich das noch mal genauer ansieht. Sonst können wir nicht …«
    Plötzlich verschlug es ihr die Sprache. Wie aus dem Nichts tauchte eine riesige gelbe Plakatwand auf, die sich wie von Geisterhand geführt kurz vor der Straßengabelung von selbst aufstellte. In Buchstaben aus künstlich erzeugtem Feuer stand darauf das Wort
     
    UMLEITUNG,
     
    und ein großer weißer Pfeil darunter zeigte in Richtung Westen.
    »Ah ja, alles klar!« freute sich Jason und folgte dem Pfeil.
     
    »Sehr geschickter Schachzug«, stellte Vulcanus mit widerwilliger Bewunderung fest. »Lermontows Eröffnung als doppelter Zufallstreffer. Wie gerissen.«
    Apollo blickte ihn besorgt an, wie Wilhelm Teil möglicherweise Isaac Newton angeguckt hätte. »Tatsächlich …«

 
     
    Als Jason, vor sich hin pfeifend, etwa zwanzig Minuten lang der Umleitung gefolgt war und gerade einen Apfel aß, den er in einer Tasche seines Kampfanzugs gefunden hatte, stieß er auf die Hydra des Erymanthosgebirges.
    Da wir uns die Zeit genommen haben, Tugend und Luxus zu beschreiben, sollten wir auf das äußere Erscheinungsbild der erymanthischen Hydra ebenfalls genauer eingehen. Sie werden Ihre Freude daran

Weitere Kostenlose Bücher