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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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oder Ungeheuern aus der Fabelwelt den Kopf abschlagen, das ging noch in Ordnung. Aber den eigenen Grips anstrengen? Nein. Schließlich war er von der Natur reichlich belohnt worden; so hatte sie ihn mit Schultern wie Felsbrocken, Armen wie Baumstämme, Sehnen wie Schiffstaue sowie mit Muskeln von ähnlich erlesener Qualität ausgestattet und so eine hervorragende menschliche Kampfmaschine aus ihm gemacht. Er konnte Sattelschlepper in die Luft heben, über Gletscherspalten springen, Wolkenkratzer hinaufklettern und noch aus fünfhundert Metern Entfernung einer Mücke die Augenbrauen abschießen, und zwar mit allem, was ihm in die Hände kam – vom Sturmgewehr bis zu Pfeil und Bogen, selbst wenn letzterer aus einer Fernsehantenne zurechtgebogen und mit einem Gummiband gespannt werden mußte.
    Dank dieser Fertigkeiten hätte man ihm vermutlich eine ziemlich schlichte, positive Weltanschauung unterstellt – nach dem Lebensmotto: ›Paß lieber auf, was du sagst, sonst riskierst du eine dicke Lippe.‹ Auch wenn man so etwas von ihm erwartet hätte, verhielt es sich mit ihm doch ganz anders. Sein Vater hingegen (und zwar der berühmte Vater mit Blitz und Donner und nicht der Typ, der Dahlien züchtete) handelte genau nach diesem Motto. Jason tat dies wirklich nicht. Er betrachtete die Welt eher als eine Art liebenswerten Fehler, der früher oder später lediglich von jemandem korrigiert werden sollte. Sie faszinierte ihn, und sie gefiel ihm sogar. Er verspürte nicht einmal einen großen Drang, ihr die Leviten zu lesen, wenn sie sich ihm hin und wieder zögerlich widersetzte.
    Er mochte auch Blumen.
    Doch große Raubtiere, Maschinengewehre und Ungeheuer mußten sich auf etwas gefaßt machen, wenn er in der Nähe war, denn er konnte sie einfach nicht ausstehen. Schließlich waren sie schon groß genug, um auf sich selbst aufzupassen, und sie gingen den Menschen gehörig auf die Nerven, also geschah es ihnen ganz recht. Soweit Heldentum darin bestand, derlei Plagegeister zur Räson zu bringen, war er völlig einverstanden damit und fühlte sich eher dem Heroismus als der Buchhaltung verpflichtet.
    Die Probleme waren sehr viel verzwickter, aber Jason gehörte nun einmal nicht zu jenen Helden, die es bereits als gewitzt empfanden, nicht von einer Klippe gestoßen zu werden. Was ihm am meisten zu schaffen machte, war das Gefühl, daß er sich irgendwie nicht unter Kontrolle hatte. Dabei hegte er keineswegs den speziellen Wunsch, irgend etwas zu kontrollieren, das nicht organisch mit ihm zusammenhing; hätte man ihm beispielsweise einen Thron angeboten, hätte er ihn wahrscheinlich mit der Begründung abgelehnt, er sei nicht der geeignete Mensch dafür. Zwar hatte er eine vage Ahnung, daß es ziemlich angenehm sein müßte, den eigenen Körper, das eigene Handeln und – vor allem – den eigenen Willen zu beherrschen, doch wurde er dieses scheußliche Gefühl nicht los, daß es sich bei ihm ganz anders verhielt.
    Irgend jemand machte sich ihn von irgendwoher auf irgendwelche unergründliche Weise zunutze, um ihn Dinge verrichten zu lassen, die man nicht tun sollte; und wären ihm die Zusammenhänge bewußt gewesen, hätte er schon lange nicht mehr mitgespielt. Es war ganz so, als ob diese kleine Stimme in seinem Hinterkopf steckte, die ihn – noch während er sich das Blut abwischte oder sich eine weitere Kerbe in den Gewehrschaft ritzte – immer wieder fragte, ob das wirklich richtig gewesen sei, was er da gerade getan habe. »Wenn ja«, pflegte die Stimme zu sagen, »dann ist das ganz prima, und ich freue mich für dich. Wenn nicht, dann …«
    Die Stimme hatte diese wirklich nervende Angewohnheit, ihre Bemerkungen stets mit drei Auslassungspunkten abzuschließen, was Jason für ein feiges Ausweichmanöver hielt. Daraufhin pflegte ihm die Stimme zu antworten, es gehe völlig in Ordnung, wenn er dieses Gefühl habe, wirklich in Ordnung, allerdings … Manchmal, so meinte Jason, krabbelte die kleine Stimme direkt durch die Nase in ihn hinein. Nun, wie dem auch sei …
    Jason runzelte die Stirn und hielt nach den Zentauren Ausschau. Komisch, da waren keine Zentauren. Der Traum hatte zum Inhalt gehabt, daß es gesunde, reinrassige Zentauren heutzutage nur noch selten gab. Folglich wäre ein jeder, der für sich lebendes Sternbildmaterial beanspruchte, ein Narr, nähme er nicht die Chance wahr, den zehn handverlesenen und garantiert echten Exemplaren den Garaus zu machen, zumal diese am heutigen Nachmittag zufällig durch den

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