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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Kaukasus marschieren sollten. Eine einmalige Chance also, die man unbedingt ergreifen mußte.
    Vielleicht haben sie mich gesehen und sich aus dem Staub gemacht, sagte sich Jason. Wie er wußte, wäre ein solches Verhalten durchaus verständlich gewesen. Wäre er ein thessalischer Zentaur gewesen, und hätte man ihm erzählt, in der Gegend treibe sich ein halbgöttlicher Bekloppter herum, der demnächst vorbeikommen wolle, sobald er erst einmal der erymanthischen Hydra den Kopf abgeschlagen habe, hätte er auch die Hufe in die Hand genommen und sich hurtig davongemacht. Aber Zentauren sind diesbezüglich natürlich ganz anders gelagert, was auch eine mögliche Erklärung dafür ist, warum sie so selten geworden sind.
    Es sei denn …
    Nein, nicht du schon wieder! ermahnte Jason seinen Hinterkopf. Hör zu, entweder beendest du diesen dämlichen Satz, oder du hältst das Maul, klar? Nicht zum erstenmal hatte er das Gefühl, daß sich sein Hinterkopf immer mehr zu einem unerträglichen Plagegeist entwickelte.
    Vielleicht habe ich mich ja verlaufen, sagte er sich. Aber wenn ich mich verlaufen habe, wäre schon längst George mit dem Golfbuggy da. Der war allerdings nirgends zu sehen. Also kann ich mich gar nicht verlaufen haben; deshalb soll ich auch hier sein. Komisch.
    Er blickte sich erneut nach allen Seiten um, doch außer Bergen entdeckte er nichts, und das einzige, woran er sich aus dem Erdkundeunterricht noch gut erinnerte, war die Tatsache, daß man keine Leistungspunkte erzielte, wenn man von Geographie keine Ahnung hatte. Er kratzte sich am Kopf, setzte sich auf einen Felsen und wartete darauf, daß etwas passierte.
    Er hatte Hunger.
    Es war schon eine ganze Weile her, seit er den Apfel gegessen hatte, und außer einer kleinen Eiche war nichts Eßbares in Sichtweite. Das verwirrte ihn zusätzlich. Für die Verpflegung der Helden sorgt nämlich grundsätzlich das Management – mal ehrlich, wann haben Sie das letztemal einen Helden gesehen, der die Jagd mittendrin abbricht, nur um sich einen Viertelpfünder und einen Schokoladenshake zu genehmigen? –, und Jason betrachtete diesen Service mittlerweile als selbstverständlich. Zwar war die Verpflegung in Wahrheit ziemlich miserabel, aber da Jasons Mutter zu jenen Frauen gehörte, die matschig gekochte Salzkartoffeln für das wichtigste aller Nahrungsmittel halten, war er nicht sonderlich verwöhnt. Selbst die Feldküche stellte für ihn bereits eine überraschend angenehme Abwechslung dar.
    Die Zeit verging. Die Sonne – als Apollo damals vorzeitig Feierabend gemacht hatte, war die Verwertung der zur Verfügung stehenden Sonnenenergie weltweit ausgeschrieben worden, und ein Konsortium australischer Unternehmer hatte das beste Angebot gemacht – drehte sich langsam um die Erde. Eine leichte Brise zerzauste Jason das Haar und erinnerte ihn daran, daß er seine Kopfbedeckung im Flugzeug vergessen hatte, als er mit dem Fallschirm aus der abstürzenden Hercules-Maschine abgesprungen war. Er hatte noch immer Hunger. Sogar noch mehr Hunger als vorher.
    Schließlich stand er auf, holte tief Luft und schrie aus Leibeskräften: »George! Wo bleibt mein Essen?«
    Nichts geschah. Es regnete nicht einmal Fruchtbonbons. Jason preßte die kräftigen Lippen zu einer festen Linie zusammen und zückte mit wilder Entschlossenheit das Schwert von Dingsda. Dann erinnerte er sich an etwas und zog aus der Brusttasche seines Kampfanzugs eine zerknüllte kleine Karte heraus.
    PIZZA AUSSER HAUS, stand darauf, WIR LIEFERN TAG UND NACHT – ÜBERALLHIN.
    Damit schien auch dieses Problem erledigt. Jetzt brauchte er nur noch eine Telefonzelle.
     
    Jason blieb stehen, fluchte und warf das Schwert von Dingsda auf die Erde. Er hatte die Schnauze voll. Jedenfalls konnten die thessalischen Zentauren von Glück reden, daß sie nirgends zu sehen waren, denn sonst hätten sie ihm als verspätetes Mittagessen gedient.
    Selbst nach stundenlangem Suchen war es Jason nicht gelungen, auch nur eine einzige Telefonzelle im Kaukasus ausfindig zu machen. Falsch, eine war doch da, aber die nahm nur Telefonkarten an.
    Ebenso erfolglos hatte sich seine Suche nach etwas Eßbarem gestaltet. Die wenigen vertrockneten Grashalme, die aus den Felsspalten hervorsprossen, waren ungenießbar, das Leder seiner Stiefel schmeckte modrig und schal, und Steine kamen nicht in Frage. Er war am Verhungern.
    Schon bald werde ich mir irgendwelche Dinge einbilden, sagte er sich. Irgendwann spielt meine Phantasie verrückt, und

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