Liebling, Ich Kann Auch Anders
Dr. Renner gehörte, im Eingang zum Konzertsaal. Redend und gestikulierend wie üblich. Evas Knie zitterten ein wenig. Doch sie riss sich zusammen, durchquerte die Halle und steuerte auf eine der improvisierten Champagner-Theken zu. Ihr war, als wandle sie auf rollenden Steinen und als wären ihre Beine in Gefahr sich ineinander zu verknoten. Sie redete im Geiste in suggestivem Tonfall auf sich ein, was einigermaßen wirkte und ein Stolpern verhinderte.
Jetzt war sie auf Magnus’ Höhe und musste auch ihm auffallen. Sie blickte zu ihm hin. Er sah sie an, schien einen winzigen Moment irritiert, fing sich aber sofort und schaute dann kühl durch sie hindurch. Keine Andeutung eines Lächelns, kein diskretes Zwinkern, überhaupt kein Zeichen des Erkennens oder der Sympathie. Er ignorierte sie einfach. Wie einen Haufen Hundedreck am Straßenrand. Das empörte sie derart, dass sie spontan beschloss, etwas zu unternehmen, um seine kühle Fassade zum Einsturz zu bringen. Ein Glas trank sie sofort, und mit dem nächsten in der Hand schlenderte sie durch die Halle zu einer der Speisetheken. Dort besorgte sie sich einen Fischteller, an dessen Rand ein Glashalter klemmte, hängte ihr Glas darin ein und suchte nach einem Plätzchen an einem der Stehtische, an denen sich überwiegend Damen aufhielten. Die Bereitschaft, für eine allein umherschwirrende Fremde, die obendrein verdächtig gut aussah, zusammenzurücken, war bei denen, die bereits einen Platz ergattert hatten, erstaunlich gering. Und so war Eva froh, als sie Serge und Emilie erblickte, die an einem der Tische standen, um sich für ihren Einsatz zu stärken. Die beiden winkten sie her und rückten gern für sie zusammen.
»Du musst mir nachher vielleicht mal kurz behilflich sein«, sagte Eva zu Serge.
»Mit dem größten Vergnügen – sofern ich noch lebe, wenn du mich brauchst. Die Leute hier wirken so ernsthaft, dass ich mit Prügeln oder einem Rausschmiss rechne.«
»Das halte ich auch für möglich. Nachdem selbst ich schon eine Reihe abschätzend abschätziger Blicke geerntet habe. Unter den Umständen ist es wohl besser, wenn ich deine Freundlichkeit vorher in Anspruch nehme«, merkte sie zwinkernd an. Dann machte sie ihn unauffällig auf Francis Weizenegger aufmerksam, die sich von der Seite ihres Mannes gelöst hatte und mit zwei anderen Frauen plauderte.
»Also, mein Lieber, mit der Blonden möchte ich gern ein Wörtchen reden. Und falls die anderen immer noch neben ihr rumstehen, lenkst du sie bitte ab.«
Serge sah sich die Gruppe an und wiegte den Kopf hin und her. »Am erfolgreichsten werde ich sie vermutlich mit der Empfehlung eines sensationellen Anti-Falten-Gels ködern.«
»Von mir aus. Da hast du absolut freie Hand. Aber such dir bitte was aus, worauf die Blonde nicht so abfährt!«
»Auf Anti-Falten-Zeugs fahren alle Frauen ab«, warf Emilie ein. »Obwohl wir wissen, dass es nichts nützt, greifen wir immer wieder zu angeblichen Wundermitteln.«
»Also Diät?«
»Lieber nicht. Viele Schlanke sind geradezu süchtig nach den neuesten Diätrezepten.«
»Du hast recht. Ich spreche sie lieber auf postklimakterielle Therapien an. Das betrifft die Blonde auf keinen Fall.«
»Okay, also trinken wir jetzt ein Glas und dann geht’s los.«
Eva ließ sich von der freundlichen Dame am Ausschank drei Gläser geben und kam zum Stehtisch zurück. Sie stießen an und tranken. Damit hatte sie dann etwa eine halbe Flasche intus. Darüber informiere ich Sie jetzt allein deswegen, weil Sie ihr dann sicher mildernde Umstände zugestehen werden, wenn Sie sich die folgenden Ereignisse vergegenwärtigen.
Eva schlenderte mit Serge zu der kleinen Gruppe hin. Er setzte sein verbindlichstes Lächeln auf, legte seine Hände sanft auf die Arme der beiden Damen neben Frau Weizenegger, stellte sich als Dr. Willibold vor und verkündete mit dramatischem Augenaufschlag, er arbeite gerade an einem Forschungsprojekt, das sie sicher interessieren würde: »Brandneue Erkenntnisse für Damen ab Mitte vierzig.«
Die beiden Mittfünfzigerinnen schauten ihn neugierig an. Sicher nicht nur wegen der Botschaft, die er zu verkünden versprach, sondern auch wegen seiner blendenden Erscheinung. Während Eva zu der Dame ihrer Wahl hin trat, geleitete er die beiden ein paar Schritte weiter und achtete darauf, so zum Stehen zu kommen, dass die beiden Francis und Eva den Rücken zukehrten. Eva strahlte Frau Weizenegger an und sagte: »Ein wirklich gelungener Abend, nicht wahr,
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