Liebling, vergiss die Socken nicht
die im Bemühen, um die Stoßzeit herumzukommen, zur U-Bahn-Station eilten, fasste Ally einen Entschluss. So konnte sie nicht weitermachen. Jedesmal, wenn sie das Studio betrat, war fast körperlich spürbar, wie sich die gespannte Atmosphäre noch weiter auflud.
Doch als sie Bill Ford um Gelegenheit zum Üben gebeten hatte, war er seltsam reserviert gewesen. Sie hatte sich sogar gefragt, ob er wollte, dass sie versagte. Und nun war das Gerücht aufgekommen, dass Bill Ford selbst kurz vor dem Abgang stand. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie die nächste sein. Doch wenn sie ganz ehrlich war, wäre das vielleicht sogar eine Erleichterung.
Sie wandte sich vom Fluss ab und marschierte zügig zum Studio zurück. Wenige Meter vor dem Century-Gebäude fiel ihr eine Menschenmenge auf, die lachend und plaudernd aus dem Weinlokal gegenüber strömte. Einen Moment lang beneidete sie sie um ihr Lachen und noch mehr um das Selbstbewusstsein, das es ihnen gestattete, erst weit nach drei Uhr wieder ihre Büros anzusteuern. Sie selbst wagte das kaum jemals und hatte sich bereits über eine passende Ausrede für ihre lange Abwesenheit den Kopf zerbrochen. Dann blieb sie wie angewurzelt stehen. Die letzten beiden, die herauskamen, waren Matt und Belinda. Als sie sie beobachtete, wie sie angeregt plaudernd die Straße überquerten, spürte sie einen plötzlichen Anflug von Angst. Um nicht verdächtig zu erscheinen, winkte sie und ging ihnen eilig entgegen, doch als sie die Treppen zu Century hochhüpfte und das Gebäude betrat, waren sie bereits im Lift verschwunden. Nur der Hauch eines starken Parfüms, Paloma Picasso vielleicht, hing noch in der Luft. Einen Moment lang war Ally versucht, der blanken Stahltür einen Tritt zu versetzen.
Sowie sie ins Büro von Hello kam, merkte sie, dass etwas vorgefallen war. Die Redakteurinnen hockten in kleinen Gruppen zusammen und tuschelten. Moira, die Produktionsassistentin und Maggys Vertraute, sah drein, als hätte ihr gerade jemand mitgeteilt, dass sie nur noch drei Monate zu leben hatte.
»Na!« Ally blickte von einem Grüppchen zum andern. »Die Stimmung an Bord scheint ja glänzend zu sein!«
»Haben Sie die Neuigkeit noch nicht gehört?« Nikki löste sich aus dem Menschenknäuel und ging auf sie zu. »Bill Ford ist gefeuert worden. Er hat gerade seinen Schreibtisch geräumt.«
Trotzdem konnte Ally nicht begreifen, warum eine Atmosphäre wie bei einer Beerdigung herrschte. Bill Ford, der Schürzenjäger und Geizkragen, war von niemandem besonders gemocht worden.
»Ja und? Das ist doch wohl nicht das Ende der Welt. Niemand hat ihn gemocht.«
»Stimmt.« Nikki ließ sich auf ihren Stuhl plumpsen. Fünfundachtzig Kilo Bestürzung und Entsetzen blickten pessimistisch zu Ally auf. »Aber Sie wissen noch nicht, wer an seine Stelle tritt.«
12. Kapitel
Als Ally die Augen aufschlug, hatte sie das dumpfe Gefühl, dass sie sich aus irgendeinem Grund nicht auf diesen Tag freute. Und dann fiel es ihr ein. Bernie Long würde seinen Einstand bei Hello geben. Sie steckte den Kopf unter das Federbett und wollte am liebsten nie wieder hervorkommen.
»Was habe ich da gehört? Bernie wird dein neuer Chef?« Ally hörte den amüsierten Unterton in Matts Stimme und kam zornig unter der Decke hervor.
Zu ihrem Erstaunen saß Matt auf der anderen Seite des Zimmers auf dem Heimtrainer, den er sich vor drei Jahren gekauft und bisher lediglich als Kleiderständer benutzt hatte. Dabei musste sie daran denken, wie sie ihn gestern mit Belinda gesehen hatte. Warum war er plötzlich so um seine Fitness bemüht?
»Du brauchst nicht auch noch zu feixen!« fauchte Ally ihn an. »Bloß weil du damit aus dem Schneider bist und deine verfluchte göttliche Belinda bekommst. Du weißt genau, wie sehr mir vor Bernie Long graut!«
Angesichts von Allys verzweifeltem Ausbruch verkniff sich Matt das Grinsen.
»Ich weiß, aber er ist eure Rettung. Mit dem Vollidioten Bill Ford wart ihr in ein paar Wochen weg vom Fenster gewesen. Bernie ist der einzige, der Hello auf Vordermann bringen kann. Falls er nüchtern bleibt.«
Ally schlüpfte wieder unter die Decke. Mein Gott! An sein Alkoholproblem hatte sie überhaupt nicht gedacht. Matt stieg vom Heimtrainer und verschwand. Ally dachte an Matts neugewonnene Energie, an den begeisterten Blick in seinen blauen Augen und seinen fast jungenhaften Tatendrang, wie sie ihn seit damals bei MidWest TV nicht mehr erlebt hatte. Sie hoffte, dass seine neue Lebenslust ausschließlich
Weitere Kostenlose Bücher