Liebling, vergiss die Socken nicht
noch etwas auf : ein intensiver Alkoholgeruch. Er trank nämlich keinen Kaffee, sondern Cognac.
Ally schloss die Tür und ging durch den Regieraum ins Studio. Sie sah auf die Uhr. Es war zwanzig nach neun.
Bernie Long hatte massive Alkoholprobleme.
»Schon irgendwelche Neuigkeiten aus dem Page-Lager?« Matt wirbelte auf seinem Drehstuhl herum und sah Belinda an.
»Sie sind immerhin von einem ›Auf keinen Fall‹ zu einem ›Wir werden es uns überlegen‹ umgeschwenkt. Und das, nachdem ich mich bis zum Gehtnichtmehr aufgedonnert und seinem verdammten Presseagenten zwei Flaschen Schampus spendiert habe.«
»Tja, ich schätze, das nennt man Erfolg.« Matt setzte das berühmte Schmunzeln mit den Lachfältchen auf.
Dann machte er sich wieder an seine Schreibmaschine. Er hatte bereits eine Rohfassung für das Skript zur ersten Show, und es entwickelte sich hervorragend. Der Trick bestand darin, seinen Witz und genug Boydschen Charme beizubehalten, um seine treuen Anhänger nicht zu vergraulen, andererseits aber eine Portion gewagteres Material einzubauen. Wenn er beweisen konnte, dass heitere und problematische Themen nebeneinander bestehen konnten, hätte er es geschafft. Und er war sich seiner Sache sicher.
Belinda beobachtete ihn einen Moment. Er war nicht mehr der Matt Boyd, den sie kennengelernt hatte, als sie bei Century angefangen hatte, nein, er war ein ganz anderer Mensch. Der neue Matt Boyd war nicht nervös und gelangweilt, sondern er sprühte vor Begeisterung. Sie fragte sich kurz, seit wann sie ihn so anziehend fand. Seit sie aus Stephen Cartwrights Büro gekommen und nach gegenüber gegangen waren, um ihr neues Projekt zu feiern? Nein, schon länger. Seit er aus zwölf Minuten besoffenem Jon Leighton eine urkomische Glanzleistung gemacht hatte. Sie wandte sich ab und machte sich mit dem Brieföffner an einem unverschlossenen Umschlag zu schaffen. Dabei fragte sie sich, wie es wohl wäre, wenn einen beim Aufwachen diese blauen Augen vom anderen Kissen her ansahen. Sie versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, was sie soeben besprochen hatten. »Meinst du, ich soll heute wieder dort anrufen?«
Matt schüttelte den Kopf. »Besser nicht. Du weißt ja, wie es ist. Niemand liebt dich, wenn er denkt, dass du ihn liebst.«
»Ja.« Belinda sah ihn ruhig an. »Ich weiß genau, was du meinst.«
Heute schien es für Ally endlich einmal besser zu laufen. Sie las ihren Text ohne zu stolpern und beriet eine Zuschauerin, die mit ihren halbwüchsigen Kindern nicht fertig wurde, mit Worten, die bewegend und witzig zugleich waren.
Maggy dagegen schien ihren Kampfgeist verloren zu haben. Sie schien auf einmal kleiner und ungepflegter zu sein, und zu Allys Erstaunen zeigten sich graue Ansätze in ihrem pechschwarzem Haar. Als Bernie sie wegen eines misslungenen Interviews vor einem Zuschauer anschnauzte, widersprach sie nicht einmal. Aber Ally platzte der Kragen. Sie hatte weniger zu verlieren als Maggy. Sie sprang auf und dachte zum Glück noch daran, ihr Mikro abzunehmen.
»Warte mal kurz, Bernie.«
Auf halbem Weg wandte Bernie sich um.
»Wie kommst du eigentlich auf die Idee, dass du so mit uns reden kannst?« Ally wies auf Maggy.
»Weil diese beschissene Show weg vom Fenster ist, wenn ihr nicht ein bisschen Pep reinbringt.« Bernie marschierte weiter. »Allerdings hatte sogar der verfluchte Lazarus mehr Leben im Leib, muss ich sagen.«
»Das sagst du uns die ganze Zeit. Aber was tust du dagegen?« Ally stand nun direkt vor ihm. »Du solltest uns aufbauen, nicht vor den Kopf stoßen. Gib uns ein paar konstruktive Ratschläge, zum Donnerwetter!« Jetzt spürte sie, wie die Wut sie durchströmte, ungewohnt und herrlich. Barbara, ihre Selbstvertrauenslehrerin, wäre stolz auf sie. »Aber vermutlich wärst du sowieso lieber in der Bar, statt deine Zeit für eine erfolglose Sendung zu vergeuden, oder?«
Im Studio herrschte völlige Stille. Die Elektriker hatten aufgehört, mit den Scheinwerfern zu klappern, die Kulissenschieber standen wie angewurzelt da, und der Aufnahmeleiter tat so, als hätte er wegen der Kopfhörer nichts mitbekommen. Aber er hatte jedes Wort verstanden. Genau wie alle anderen im Studio.
Wortlos stolzierte Bernie hinaus. Sowie sich die Tür zum Regieraum geschlossen hatte, setzte der Beifall ein. Ally sah Bernie hinterher und wusste, dass sie gerade den letzten Nagel in den Sarg ihrer neuen Karriere geschlagen hatte.
13. Kapitel
»Und wie war es heute? Lief es besser?« Matt schmiegte
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