Lieblingslied: Roman (German Edition)
versteht sich. Diese zusätzliche Summe ersparte uns weitere Schulden und machte den Kauf einer Grabstätte auf einem Hügel und eine zusätzliche Zeile auf dem Grabstein möglich.
Zur Beerdigung kamen Octavius und Lance Burke mit dem Auto aus Idaho sowie Stuart, Heather und deren Kinder. Die Brights waren mit Großvater und Tante Jo, die mit dem Flugzeug aus Oregon eintrafen, weniger zahlreich vertreten. Abgesehen vom engeren Familienkreis wusste kaum jemand vom Tod unseres Babys. So erschienen zusätzlich nur Mark Lloyd und einige befreundete Kollegen aus der Agentur.
Bevor wir uns auf den Weg zur Friedhofskapelle machten, schlug Großvater vor, ich solle auf seiner alten Gitarre während des Gottesdienstes ein paar Stücke für Faith zum Abschied spielen. Ich lehnte das nicht nur ab, sondern erklärte, das Instrument befände sich schon zu lange in meinem Besitz, und schlug vor, er solle es wieder mit nach Hause nach Oregon nehmen.
»Quatsch«, widersprach er heftig. »Schon gar nicht jetzt, da es die einzige Gitarre ist, die dir geblieben ist. Außerdem haben meine arthritischen Finger nichts dagegen, wenn du Karl noch etwas länger behältst. Mir ist wohler bei dem Gedanken, dass jemand darauf spielt.« Er hielt inne und sah mich prüfend an. »Du spielst doch noch auf Karl, oder?«
»Manchmal«, antwortete ich ausweichend.
Anna schnappte im Vorübergehen unsere Unterhaltung auf. Sie blieb stehen und runzelte die Stirn. »Schon seit drei Monaten nicht mehr.«
»Oh«, lautete Großvaters Kommentar. »Tut mir leid, das zu hören.« Er legte die Hand auf meine Schulter. »Erinnerst du dich noch, wie du mich nach dem Tod von Großmutter gefunden hast? Mit der Gitarre in der Badewanne?«
»Wie könnte ich das je vergessen?«
»Dann will ich dir eines sagen: Es hat geholfen! Ohne jeden Zweifel. Und ich wette, es hilft auch dir.« Er tätschelte meinen Arm und schlurfte hinaus zum Wagen.
Vierzig Minuten später, als ich sicher sein konnte, dass sich alle Trauergäste versammelt hatten, gab ich dem Pastor das Zeichen, mit dem Gottesdienst zu beginnen. Ich setzte mich neben Anna in die erste Bankreihe der winzigen Friedhofskapelle.
Der Tenor der Predigt waren die unergründlichen Wege Gottes und das tröstliche Wissen, dass das Leben auch über das Grab hinaus weiterging. Beides hatte man mich von jeher gelehrt, und ich glaubte es sogar. Jedenfalls wünschte ich, dass es der Wahrheit entsprach. Doch als mein Blick auf Faiths winzigen Sarg fiel, war das Wunschdenken stärker als der Glaube.
Oh Gott , betete ich, bitte lass es wahr sein .
Nach dem Gottesdienst marschierten wir zum Friedhof. Anna hielt Hope am Grab fest in ihren Armen, den Blick starr auf die leuchtend blauen Augen des Kindes gerichtet – auch dann, als Faiths Sarg in die Grube hinuntergelassen wurde. Wir gestatteten uns beide keine einzige Träne. Während ich Annas schmerzliche Miene betrachtete, dachte ich daran, wie euphorisch wir angesichts der Zwillingsschwangerschaft gewesen waren.
Wir konnten es beide noch immer nicht fassen, dass uns von den so begeistert erwarteten Zwillingen nur einer geblieben war.
Ein Herzschlag. Eine Hope .
Später in der Nacht, nachdem wir wieder allein geblieben waren, lagen Anna und ich wach im Bett, wie betäubt, unfähig zu reden oder zu schlafen, geschweige denn zu weinen. Für die Familie Bright war es kein guter Tag gewesen.
Lange nach Mitternacht rollte ich mich im Bett zur Seite und starrte durch die Dunkelheit auf den Korbkinderwagen in der Ecke unseres Schlafzimmers. Neben dem Korbwagen fiel mein Blick auf die dunklen, schattenhaften Umrisse eines Gitarrenkastens. Dabei erinnerte ich mich an das, was Großvater über sein Gitarrenspiel nach dem Tod seiner Frau gesagt hatte: » Es hat geholfen .«
Obwohl ich erst sieben Jahre alt war, als die Großmutter starb, erinnerte ich mich an diesen Tag noch sehr genau. Ich lebte bereits eineinhalb Jahre bei den Großeltern, als man bei Großmutter Krebs feststellte. Sie hatte an Gewicht zugenommen, das jedoch auf Stress, zu reichliches Essen, zu wenig Bewegung, auf Hormone und die Wechseljahre geschoben wurde. Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht mit dem Tumor, der in nur wenigen Monaten seine Größe verdoppelt hatte. Zum Zeitpunkt der Diagnose war er so groß wie ein Volleyball gewesen und hatte seine Tentakeln bis in die lebenswichtigen Organe in ihrer Brust ausgestreckt. Damals hatte keine der praktizierbaren Behandlungsmethoden Aussicht auf Erfolg.
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