Lieblingslied: Roman (German Edition)
Monat vergangen. In der Monatsmitte entschied die Ärztin, es sei das Sicherste für Anna und die Babys, die Geburt einzuleiten.
An einem regnerischen Mittwochmorgen fuhren wir aufgeregt und schweigend ins Krankenhaus. Die Babys sollten dort per Kaiserschnitt zur Welt kommen. Eine halbe Stunde nach den nötigen Vorbereitungen brachte das Ärzteteam ein perfektes, zauberhaftes Mädchen zur Welt. Wenige Minuten später folgte Nummer zwei.
Zwei Mädchen! Zwei gesunde, bildschöne kleine Mädchen!
In diesem Moment war ich der reichste Mann der Welt. »Hast du sie gesehen, Anna? Sie sind da! Sie haben es geschafft! Du hast es geschafft.«
»Wir haben es geschafft. Wir zusammen !«
Ich nahm ihre Hand und beobachtete, wie die Ärzte und Schwestern auf der anderen Seite des OP s sich um die Babys kümmerten. Es war der glücklichste Moment meines Lebens.
Nur leider nicht von Dauer.
Zuerst fiel mir auf, dass die Krankenschwestern, die sich um unsere Erstgeborene kümmerten, aufgeregt durcheinanderrannten, miteinander flüsterten und immer ernstere Mienen machten. Ganz im Gegensatz zu dem Team, das sich um das zweitgeborene Mädchen kümmerte. Dann fing ich Gesprächsfetzen auf.
Herztöne nicht in Ordnung … Lungen …. Sauerstoff … Schnell!
Auch Anna wurde aufmerksam und versuchte, an dem Arzt vorbei zu sehen, der noch damit beschäftigt war, die Operationsnarbe zu klammern.
»Es ist nichts«, beruhigte ich sie. »Die wollen nur auf Nummer sicher gehen.«
Die Ursache für die Aufregung war jedoch eine andere.
Offenbar hatte sich in der Lunge unseres kleinen Mädchens Wasser gesammelt. Jedenfalls schien das Komplikationen nach sich zu ziehen. Als die Aufgeregtheiten immer dramatischere Formen annahmen, ordnete der Oberarzt an, das Baby in einen Nebenraum zu bringen. Im Türrahmen drehte er sich um und sah mich kurz an. Dieser Blick sprach Bände. Es stand schlecht um unser Baby.
»Ethan! Rede mit mir! Was ist passiert?«
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich selbst noch nicht, was geschehen war. Ich spürte nur, dass etwas grundlegend in Schieflage geraten war. »Alles in Ordnung, Liebste«, log ich. »Alles wird gut.«
Aber es wurde nicht gut.
Ein Beatmungsteam sorgte dafür, dass das Baby künstlich beatmet wurde. Der Winzling verbrachte daraufhin die folgenden vierundzwanzig Stunden in einem Brustkasten unter ständiger Beobachtung auf der Intensivstation der Kinderklinik. Man ließ mich nicht einmal in ihre Nähe.
Am darauffolgenden Tag war das Baby tot.
Annas Arzt hatte eine Menge unverständlicher, medizinischer Ausdrücke für das, was mit unserer Tochter geschehen war. Was mir in Erinnerung blieb, waren seine abschließenden Worte: »Wissen Sie, trotz aller Fortschritte der modernen Medizin … Solche Dinge passieren. Das haben wir nicht in der Hand.«
Am liebsten hätte ich ihm einen Kinnhaken verpasst. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Anna und ich wussten nur zu genau, dass Dinge »einfach passieren«. Wir waren die Experten in diesen »Dingen«. Sie waren uns schon einmal zu oft »passiert«.
Was wir nicht begreifen konnten, und wofür kein Arzt eine Erklärung hatte, war, warum sie ausgerechnet immer uns »passierten«.
11
UNSERE ERSTGEBORENE TOCHTER tauften wir auf den Namen Faith, Glaube, in Anbetracht der Tatsache, dass wir ihren tragischen Tod als eine weitere Prüfung für uns begriffen. Anna bestand darauf, dass wir die Jüngere Hope, Hoffnung, nannten, denn das war das Gefühl, das sie beschlich, sobald sie in die leuchtend blauen Augen des Kindes blickte. Ich war einverstanden, auch wenn ich insgeheim nicht ganz von der Richtigkeit überzeugt war, denn was ist Hoffnung ohne Glaube?
Obwohl ich meinen Traum, einmal ein erfolgreicher Songwriter zu werden, aus alltäglichen Zwängen längst so gut wie aufgegeben hatte, hatte ich dennoch ein respektables Musikequipment zusammengetragen. Als Faith starb, bestand dieses aus zwei elektrischen Gitarren, einer zwölfsaitigen akustischen Gitarre, einem Verstärker, einem digitalen Effektprozessor, einem Audiomischpult mit acht Kanälen, einem Synthesizer für Schlagzeug, und einem Mehrspurtonbandgerät, mit dem man die einzelnen Tonspuren mischen konnte. Und natürlich hatte ich noch immer Großvater Brights alte akustische Gitarre.
Auf unserem Sparkonto lag eine Summe, die die Hälfte der Bestattungskosten einschließlich eines winzigen Sarges deckte. Den Rest finanzierte ich durch den Verkauf meines Musikequipments – mit Ausnahme von Karl
Weitere Kostenlose Bücher