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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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automatisch und musste doch nur daran denken, wie vergänglich diese Blumenpracht war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie welkten und entsorgt werden mussten.
    Genau wie Anna.
    Später am Abend rief Stuart an und gab das Telefon an Hope weiter. »Alles in Ordnung, Liebes?«
    »Ja. Wie geht es Mami?«
    »Sie … besser.«
    »Kann ich sie besuchen?«
    »Tut mir leid, Häschen. Heute nicht. Mami braucht noch Ruhe.«
    Am anderen Ende war es länger still. »Kann ich mit ihr sprechen?«
    »Hope … deine Mutter … sie kann jetzt nicht reden. Aber sie lässt dich grüßen, okay?«
    Wieder Stille. Dann ein ruhiges: »In Ordnung, Dad. Sag ihr, dass ich sie lieb habe.«
    »Das mache ich.« Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich die Tränen kaum zurückhalten konnte. Ich trocknete sie hastig. »Amüsierst du dich mit deinen Cousins?«
    Die Antwort war wie immer positiv.
    »Und was ist mit Tante und Onkel?«
    »Die sind okay. Und lustig. Ich mag sie.« Damit begann sie von ihrer Geburtstagsparty zu erzählen und dass Onkel Stuart sie mit einem nagelneuen Fahrrad überrascht habe. »Kann ich es dir morgen zeigen?«
    »Vielleicht. Hängt davon ab, wie es deiner Mutter geht.«
    Eine Sekunde lang war ich nicht sicher, ob sie mich überhaupt gehört hatte. »Dad?«, sagte sie schließlich. »Mami wird doch wieder gesund … oder?«
    Ich warf einen Blick auf die Infusionsschläuche, die in Annas Nase und Mund führten, und beobachtete, wie das Beatmungsgerät mit leisem Pfeifgeräusch Sauerstoff in ihre Lungen presste. Ich wischte mir erneut eine Träne ab. »Natürlich«, antwortete ich. »Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut.«
    Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, dachte ich an das, was Stuart am Morgen gesagt hatte. Was, wenn all diese schrecklichen Dinge geschehen, weil wir es nicht anders verdienten? Sollte es so sein, dann musste ich mich fragen, wie sich wohl das Schicksal dafür an mir rächte, dass ich meine Tochter anlog?

20
    DIE FOLGENDEN TAGE VERGINGEN in selbst auferlegter Einsamkeit. Ich vergrub mich im Krankenhaus, hoffte auf ein Anzeichen der Besserung bei Anna, während jede ärztliche Untersuchung mit demselben niederschmetternden Ergebnis endete. Sobald die Glasgow-Koma-Skala bemüht wurde, hätte ich mir am liebsten die Ohren zugehalten, denn Annas Werte blieben beharrlich im Keller.
    Die Menschen, denen Anna am Herzen lag, erkundigten sich mindestens einmal am Tag nach ihrem Befinden – Octavius, Großvater Bright, Stuart und natürlich Hope.
    Bei jedem Telefonat stellte meine Tochter dieselben beiden Fragen: »Geht es Mami jetzt besser?« Und: »Darf ich sie besuchen?«
    Aus ihrer Stimme war allmählich immer deutlicher herauszuhören, wie fadenscheinig meine Worte »noch nicht« und »leider nein« klangen.
    Dr. Knight, der Chefarzt der Intensivstation, kam täglich vor Ende seiner Dienstzeit, um mich auf dem Laufenden zu halten. Allerdings konnte er mir kaum etwas mitteilen, das ich nicht selbst schon hätte erkennen können. Dr. Schafer und Dr. Gooding schauten ebenfalls meistens nachmittags vorbei und überprüften den Heilprozess der Knochenbrüche und inneren Verletzungen. Dr. Rasmussen erschien stets am späten Vormittag, um neurologische Tests durchzuführen. Am häufigsten allerdings kam Reg Wilson, der uns mindestens dreimal täglich seine Aufwartung machte.
    Gegen Ende der Woche erschien er mit einem gelben Formular, das mir bekannt vorkam. »Ethan, ich weiß, Sie halten sich fast ausschließlich in der Klinik auf. Trotzdem muss ich fragen, ob Sie vielleicht Gelegenheit hatten, nach einer Patientenverfügung Ihrer Frau zu suchen. Falls es kein derartiges Dokument gibt, möchte ich Sie bitten, dieses Formular zu unterschreiben. Damit verfügen wir über die nötigen Unterlagen für unser weiteres medizinisches Vorgehen.«
    »Ich bin kaum zu Hause gewesen. Hatte also keine Gelegenheit nachzusehen«, erwiderte ich.
    »Haben Sie darüber nachgedacht, wie Sie sich alles Weitere vorstellen? Für den Fall, dass Ihre Frau keine Patientenverfügung hinterlegt hat?«
    »Nicht wirklich.« Es war traurig, aber die Lügen kamen mir immer glatter über die Lippen. Das machte vermutlich die Routine. Tatsächlich war die sogenannte weitere Vorgehensweise der Punkt, der mich am meisten beschäftigte, wenn ich an Annas Bett saß und mir die Narben in ihrem geschundenen Gesicht einprägte. »Ist denn an dem, wie wir im Augenblick ›vorgehen‹ was auszusetzen?«
    »Keineswegs. Beobachten und

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