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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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testen ist im Augenblick das Einzige, das wir tun können. Die Ärzte warten ab, bevor sie sich für eine Vorgehensweise entscheiden. Nach allem, was ich von Dr. Rasmussen und aus der Erfahrung mit ähnlich gelagerten Fällen weiß, bleiben Komapatienten zwischen einigen Tagen und mehreren Wochen in diesem Zustand. Statistisch gesehen schwinden die Chancen einer Genesung danach rapide. Mittlerweile ist erst eine Woche vergangen. Trotzdem möchte ich Sie bitten, Ihre Akten durchzusehen. Wir müssen wissen, ob eine Patientenverfügung Ihrer Frau existiert. Aus juristischen und ethischen Gründen sollten wir Annas Wünschen entsprechen.«
    »Ich sehe in unseren Akten nach«, versprach ich.
    »Hope? Hallo!« Es war früher Nachmittag, als ich das Haus durch den Vordereingang betrat. Großvaters Mietwagen stand neben Stuarts Jaguar in der Auffahrt, doch als ich in die Diele kam, war niemand zu sehen. Aus dem Radio in der Küche drangen Hits aus den 1980er-Jahren, und im Fernsehen im Familienzimmer lief ein SpongeBob-Film. Von meiner Familie keine Spur. »Hallo!«, rief ich lauter. »Jemand zu Hause?«
    Keine Antwort. Ich stellte meine Reisetasche ab, ging von Zimmer zu Zimmer, rief die Namen, aber niemand meldete sich. Schließlich steckte ich den Kopf durch die Terrassentür und brüllte in den Garten hinaus: »Stuart? Hope? Jemand da?«
    »Dad?«
    Ich erkannte Hopes Stimme, konnte jedoch nicht ausmachen, woher sie kam. »Hope?«
    »Hier oben!«
    Der Garten hinter dem Haus war verhältnismäßig groß … jedenfalls für kalifornische Verhältnisse. Den meisten Raum nahm ein sorgfältig gemähtes Rasenstück ein, das von wellenförmigen Stauden- und Strauchbeeten umgeben war. An der Westseite verlief eine Obstbaumreihe, die in der Sommersonne herrlichen Schatten boten. Am anderen Ende des Grundstücks bildeten drei hohe, in einem Abstand von vier Metern gepflanzte Kiefern ein Dreieck. Dort, inmitten der Kiefern, entdeckte ich in ungefähr fünf Meter Höhe zwischen den Ästen Hopes Gesicht. Sie lehnte aus einem Fenster – ein Fenster, das bei meinem letzten Besuch noch nicht da gewesen war.
    »Was um alles in der Welt …«
    »Hi, Ethan.« Stuarts Gesicht tauchte unmittelbar über Hope auf. »Ich hoffe, du hast nichts gegen unser Baumhaus. Ich dachte, dass die Kinder was Interessantes zum Spielen haben sollten.«
    »Du hast … eines … gebaut …?« Ein Baumhaus . Hope hatte mich angebettelt, ihr ein Baumhaus zu bauen, seit sie alt genug gewesen war, das Wort auszusprechen. Es war ihr Traum, ein Versteck ganz für sich und ihre Barbiepuppen im Garten zu haben, wo sie ungestört spielen konnte. Ich hatte immer wieder versprochen, für ein Baumhaus zu sorgen, doch nie die Zeit dafür gefunden. Ausgerechnet der Stinkreiche hatte ihre Träume wahr gemacht.
    »Nicht direkt. Ich hab’s bauen lassen. Als Heimwerker habe ich zwei linke Daumen. Die Arbeiter sind erst vor einer halben Stunde gegangen. Wir probieren es zum ersten Mal aus. Möchtest du raufkommen?«
    Obwohl teilweise hinter den Ästen der Kiefern verborgen, war nicht zu übersehen, dass es sich um eine sehr geräumige Konstruktion handelte. Sie überspannte den gesamten Raum zwischen den drei Baumstämmen. Von meinem Platz auf der Terrasse sah es wie ein schwebendes Landhaus in Kleinformat aus – samt Schindeldach und Zedernholzfassade. »Wo sind die anderen? Im Haus ist niemand.«
    »Hier oben«, erwiderte Hope. »Bei uns.«
    » Alle sind dort oben? «
    »Ja, doch!«
    »Was ist mit Großvater Bright?«, erkundigte ich mich und ging über den Rasen auf die Baumgruppe zu.
    »Der sitzt hier ganz entspannt auf einem Stuhl«, erwiderte Stuart gut gelaunt.
    »Willkommen zu Hause«, hörte ich Großvater aus luftiger Höhe rufen.
    Stuart ahnte natürlich, dass ich mich fragte, wie ein alter gehbehinderter Mann in ein fünf Meter hoch gelegenes Baumhaus kommen konnte. »Großvater Bright war unser Versuchskaninchen. An ihm haben wir getestet, ob unser Liftsystem auch unter erschwerten Bedingungen funktioniert«, erklärte mein Schwager strahlend. »Es ist eigentlich ganz simpel. Ein paar Flaschenzüge und die Winde von einem Jeep Wrangler haben genügt. Und voilà ! Schwupp war er oben.«
    Einer der Cousins rief Hopes Namen. Sie duckte sich und war plötzlich aus meinem Blickfeld verschwunden.
    Ich blieb auf dem Rasen unter den Bäumen stehen und sah zu meinem Schwager auf, der noch immer aus dem Fenster lehnte. »Das ist verrückt, Stuart. Nein, einfach wahnsinnig!

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