Lieblingsmomente: Roman
Bodensee-Wasserversorgung für den Großraum Stuttgart. Auch das Wasser für deine überlangen Duschen kommt von hier. Krass, oder?«
Beeindruckend. Mein Freund kennt sich also mit Wasserleitungen und deren Ursprung bestens aus. Da erst fällt mir die kleine Spitze auf, die in der kurzen Erklärung versteckt war.
»Findest du wirklich, dass ich zu lange dusche?«
»Manchmal. Vor allem, wenn ich gleichzeitig aufs Klo muss und immer nur das Wasser rauschen höre.«
Wirklich ein Romantiker.
Nachdem wir Überlingen hinter uns gelassen haben, kommen wir nach Nußdorf, wo Oliver eine kleine Pause einlegen will, um etwas zu trinken. Wir laufen Hand in Hand durch das Städtle und fahren dann weiter bis zur wunderschönen Wallfahrtskirche Birnau. Sobald ich sie erblicke, lässt mich mein erster Reflex nach meiner Kamera greifen.
»Nein, Layla. Nicht schon wieder. Wir sind im Urlaub.«
Genau! Und ich bin von der Schönheit der Kirche im warmen Licht dieses sommerlichen Abends total gefesselt. Mein Herz beginnt, schneller zu schlagen, und ich wünschte, wir könnten ewig hierbleiben. Ich muss den Moment einfach für die Nachwelt festhalten.
»Sieh dir dieses Prachtstück doch nur mal an. Sie ist wunderschön.«
»Es ist eine Kirche, Layla. Die sehen alle irgendwie gleich aus.«
»Quatsch!«
Ich führe die Kamera zu meinem Auge, stelle Belichtungszeit, Blende und Fokus ein. Als ich abdrücken will, legt sich Olivers Hand über das Objektiv.
»Du knipst nicht nur betrunkene Teens, sondern auch jeden anderen Quatsch, oder? Es ist nur eine Kirche, Layla. Komm wieder runter.«
»Es ist eine Wallfahrtskirche.«
Und ich knipse nicht. Vor allem keinen Quatsch.
»Dann eben eine Wallfahrtskirche. Ich will eine Pizza. Komm schon, du kannst andere Kirchen knipsen.«
»Fotografieren.«
»Layla.«
Ich will mich wirklich nicht streiten, aber ich habe so langsam die Schnauze voll. Das Licht und der Bildausschnitt waren perfekt für eine Aufnahme, die wirklich beeindruckend hätte werden können.
»Wir sind hier wegen uns, und nicht wegen Kirchen oder sonstigem Unsinn. Okay?«
Wieder will ich ihm widersprechen, aber stattdessen fahren wir schweigend weiter nach Uhldingen-Mühlhofen und suchen dort einen netten Italiener. Wir essen draußen unsere Pizza und reden über harmlose Dinge: über Geld, Fußball und den Bodensee. Nach dem zweiten Glas Rotwein sprechen wir dann über uns. Wir wärmen alte Geschichten auf – Geschichten und Anekdoten von damals, auch die, wie unsere Freunde uns verkuppeln wollten, weil wir ihrer Meinung nach perfekt füreinander waren. Und es noch immer sind. Ich sehe ihn an und frage mich, ob wir wirklich noch immer perfekt füreinander sind. Der Urlaub ist wunderschön, aber wie geht es weiter, wenn wir zurück in Stuttgart sind? Wird jeder wieder in seinen Alltagstrott verfallen? Wird jeder wieder für sich alleine leben? Das war es nämlich, was wir in den letzten Monaten getan haben. Wir haben zwei parallele Leben geführt. Nicht ein gemeinsames. Die Erkenntnis schmerzt.
»Ich vermisse dich manchmal.«
Oliver schaut überrascht von seiner Pizza auf.
»Aber wir sehen uns doch jeden Tag.«
Ich spüre, wie mir plötzlich die Tränen in die Augen steigen.
»Aber nicht richtig.«
»Was ist los?«
Die halbe Flasche Rotwein zeigt ihre Wirkung.
»Du bist da, aber irgendwie auch nicht. Es ist alles so selbstverständlich.«
»Aber das ist doch schön.«
Er versteht mich nicht.
»Ich habe manchmal das Gefühl …«
Plötzlich läuft mir eine Träne über die Wange.
»Layla, warum weinst du?«
Er sieht mich besorgt an, beugt sich zu mir, nimmt mein Gesicht in seine Hand und streicht mir sanft mit dem Daumen die Träne von der Wange.
»Manchmal habe ich einfach das Gefühl …«
Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist nicht nur ein Gefühl. Es sind Tausende.
»Sag mir bitte, was los ist.«
»... dass ich in deinem Leben nur noch eine Statistenrolle spiele. Irgendwo am Rand. Im Schatten.«
Er sieht mir tief in die Augen und streichelt mir weiterhin sanft über die Wange.
»Layla. Du spielst eine sehr große Rolle in meinem Leben, die Hauptrolle.«
Ich atme tief durch und lehne mein Gesicht leicht in seine Handfläche.
»Danke.«
»Immer.«
»Ich liebe dich.«
Er lächelt, beugt sich weit über den Tisch und küsst mich.
»Versprichst du mir etwas?«
»Was?«
»Du musst mir immer sagen, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt. Nicht lange nachdenken und grübeln, einfach sagen.
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