Lieblingsmomente: Roman
gänzlich ohne Facebook und damit auch ohne Tristan. Sein Name und sein Gesicht huschen nur wenige Mal durch mein Gehirn, aber mehr auch nicht. Ich schlafe nachts mit und neben Oliver und weiß genau, hier gehöre ich hin. Diesmal funkt uns niemand dazwischen, und ich klammere mich an die Hoffnung, das erreicht zu haben, was ich will. Eine Pause von den Gefühlen, vom Chaos und allem anderen. Oliver genießt diesen Kurztrip mehr, als ich angenommen hatte. Er scheint wieder etwas mehr vom Leben zu sehen als seine Kollegen und die Arbeit – nämlich mich. Uns.
Wir wachen zusammen auf, verbringen die Tage zusammen und küssen uns wie Teenager bei untergehender Sonne. Wir machen alberne Fotos und probieren jede Sonnenbrille am Einkaufsstand auf, die uns bekloppt aussehen lässt. So könnte ich ewig leben. So sollte es sein, für immer. Aber viel zu schnell ist die Woche schon zur Hälfte wieder um.
Während wir Hand in Hand durch die Straßen bummeln, überlegen wir, ob wir vielleicht doch noch woanders hinfahren sollen. Ich bin der Meinung, »nur« auf der deutschen Seite des Bodensees zu bleiben, gibt uns nicht wirklich das Gefühl, im Urlaub gewesen zu sein. Wir sollten zumindest bis ans Südufer des Bodensees fahren – bis nach Österreich. Das ist auch noch EU und somit nur noch fast »Ausland«. Oliver murmelt etwas vor sich hin, stimmt mir dann aber nach etwas Bettelei zu.
»Und wohin soll es gehen?«
Ich bleibe vor einem Plakat am Straßenrand stehen.
»Bregenz.«
Oliver folgt meinem Blick und zuckt mit den Schultern.
»Bregenz? Klingt nicht übel.«
Dann fällt sein Blick auf das Plakat, das meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.
»Och nee. Willst du auf dieses Musikfestival? Schatz, um schnöden Pop zu hören, fährt man doch nicht nach Bregenz. Das ist doch so, als würdest du in Paris nicht zum Eiffelturm, sondern nur an die Seine gehen.«
Auf dem Plakat wird tatsächlich ein recht kleines Musikfestival angepriesen, das am Freitag in Österreich stattfindet. Ich lese mir schnell die angekündigten Acts auf dem Plakat durch, einige klingen interessant, andere weniger. Dann erkenne ich einen Namen wieder, und mein Herz macht einen kleinen Hüpfer.
»O doch, lass uns bitte auf dieses Festival gehen. Thomas spielt auch!«
Oliver sieht mich ahnungslos an, aber das darf man bei ihm nicht persönlich nehmen. Er neigt dazu, Namen nicht immer sofort mit Personen, Gesichtern oder Ereignissen in Verbindung zu bringen. Ganz anders als ich. Wenn eine bestimmte Person an einem bestimmten Moment in meinem Leben teilgenommen hat, dann vergesse ich sie so schnell nicht wieder.
»Erinnerst du dich nicht? Thomas Pegram? Er hatte einen Auftritt in Stuttgart, und wir waren zusammen dort. Ich hatte Freikarten, und er hat uns sogar ein Lied gewidmet.«
Oliver scheint nachzudenken. Als ob uns ständig Musiker Lieder bei einem Konzert widmen würden. Wenn ich mich richtig erinnere – und das tue ich –, war es bisher genau einer: besagter Thomas Pegram. Durch Zufall habe ich ihn bei einem Song Slam in Stuttgart kennengelernt und mich für seinen Song »Nicht ohne mich« so begeistert, dass wir uns nach seinem Auftritt noch unterhalten haben. Einige Wochen später habe ich Oliver zu einem Konzert mitgenommen. Erinnert er sich wirklich nicht mehr?
»Wir haben uns danach auch noch mit ihm unterhalten.«
Tatsächlich sind wir nach der Unterhaltung noch mit ihm in einen anderen Club weitergezogen und haben eine nette Zeit mit ihm verbracht. Wir haben ihn beide in unserer Facebook-Freundesliste, aber Oliver steht entweder auf dem Schlauch oder der Tag hatte für ihn nicht die gleiche Bedeutung wie für mich.
»Du mochtest seine Version von Man in the Mirror so sehr.«
Und dann erinnert er sich doch. Ein Lächeln legt sich auf sein Gesicht, er nickt begeistert.
»Ja, klar, ich erinnere mich. Okay. Lass uns nach Bregenz fahren. Wir müssen ja daheim nicht erzählen, wieso.«
Oliver küsst mich spontan auf die Lippen und zieht mich an sich. Einen solchen Gefühlsausbruch habe ich mir schon so lange mal wieder gewünscht, und zwar nicht nur daheim in unserer Wohnung, sondern auch hier, in der Öffentlichkeit. Die Leute sollen ruhig sehen, wie sehr er mich liebt, auch wenn er es nicht oft sagt.
Weil ich Thomas Bescheid geben möchte, dass wir in Bregenz sein werden und uns gerne mit ihm treffen wollen, logge ich mich in einem Internetcafé bei Facebook ein und schreibe ihm eine kurze Nachricht. Natürlich werfe
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