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Lieblingsmomente: Roman

Lieblingsmomente: Roman

Titel: Lieblingsmomente: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Popescu
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mit mir.
    Aber Olivers Kollege Sandro scheint gänzlich andere Pläne für den Abend zu haben. Er hat offenbar großen Hunger, denn er hat einen Tisch in einem Restaurant reserviert, bei dem man mindestens vier Gänge bestellen und vertilgen muss. Er will über alte Zeiten plaudern und hält von Musikfestivals so viel wie der durchschnittliche Mann von Kastration. Zumindest klingt das, worauf Oliver am Telefon antwortet, stark danach. Er, der sich mit mir auf das Konzert und ein Treffen mit Thomas gefreut hat, wird ihm sicher gleich klarmachen, dass der Abend nach dem Essen bereits verplant ist.
    »Sandro, warte kurz.«
    Oliver dreht sich zu mir.
    »Wir können doch auch ein anderes Mal auf ein Konzert, oder?«
    Weil wir auch so oft zusammen auf Konzerte gehen. Ich scheine nicht nur über italienische, sondern auch über bulgarische Verwandte zu verfügen, nur so kann ich mir mein Nicken und meine innere Verneinung erklären. Oliver sieht mich überrascht an.
    »Super. Sandro hat schon einen Tisch für uns reserviert.«
    »Und Thomas hat Tickets zurücklegen lassen.«
    »Aber ich habe Sandro ewig nicht gesehen, und das Restaurant klingt wirklich … erstklassig.«
    »Weißt du, was erstklassig klingt? Die Musik von Thomas Pegram.«
    »Schatz, dann geh du doch auf das Konzert, und ich gehe mit Sandro essen. Wir treffen uns danach einfach am Campingplatz. Was meinst du?«
    Was ich meine? Ich meine, dass er unseren Plan ruiniert, hier zusammen Zeit zu verbringen. Ich meine, dass er sich wie ein Idiot benimmt und mich hier einfach so stehen lässt. Das meine ich. Es ist fast so, als hatte unser Gespräch beim Italiener nie stattgefunden.
    Aber ich nicke wieder nur und beschließe, mir den Abend nicht kaputt machen zu lassen. Wenn er nicht mit mir gute Musik hören will, dann ist das seine Entscheidung.
    »Danke.«
    Oliver wirft mir einen Luftkuss zu und wendet sich wieder dem Telefon zu.
    »Gern geschehen.«
    Ich hole die Karten also alleine ab. Dabei ertappe ich mich dabei, wie ich dem freundlichen Herrn an der Abendkasse eine rührselige Geschichte über die plötzliche Erkrankung meines Partners erzähle, die erklären soll, wieso ich nur eine Karte abhole. Dabei müsste ich das gar nicht, aber es ist mir wichtig, dass der Mann mit dem typischen vorarlbergischen Akzent nicht denkt, Oliver hätte mich einfach so für einen Kollegen alleine gelassen. Obwohl er das hat.
    Ich hole mir erst mal ein Bier, bin fast schon erleichtert über die spärliche Beleuchtung und suche mir dann einen Platz in der Nähe der Bühne. Die Stimmung ist gut. Zwar kenne ich die drei Musiker auf der Bühne nicht, aber sie spielen beschwingte Gitarrenmusik, die in die Beine geht. Ich wippe mit, schaue mich um und ärgere mich, meine Kamera nicht bei mir zu haben. Nur Olivers kleine Digicam. Ich wollte eigentlich meine Kamera einpacken, aber Oliver war der festen Überzeugung, sie wäre zu unhandlich und vermutlich sogar verboten. Also haben wir einen friedlichen Kompromiss geschlossen und uns für seine kleine Digitalkamera entschieden. Die wird mir keine Kunstwerke schenken, ist aber besser als gar nichts. Schließlich heißt es ja immer: Ein wahrer Meister seiner Kunst kann auch mit zweitklassiger Ausstattung Großes schaffen. Ohne die Möglichkeit, den Fokus oder die Belichtungszeit selber einzustellen, entscheide ich mich deswegen für den künstlerischen Weg: unorthodoxe Einstellungen und Blickwinkel auf die Bühne.
    Ich klicke mich lächelnd durch meine Fotos und bin mit ihnen sogar recht zufrieden. Dann kommen einige Bilder, die Oliver gemacht hat: ein Schiff, ein paar kleine Boote, eine Familie, eine junge Frau am Strand, zwei junge Frauen, die Beachball spielen, eine junge Frau im Wasser, ein Pärchen beim Schwimmen, eine Frau auf einer der schwimmenden Holzinseln im Wasser. Ich spüre, wie meine Haut brennt. Zuerst im Gesicht, so als hätte ich einen leichten Sonnenbrand, dann auch an den Händen. Ich klicke mich tapfer weiter durch eine Galerie voller hübscher und junger Frauen in Badebekleidung. Dazwischen finde ich nur ein einziges Foto von mir, während ich schlafe, mit seinem Sonnenhut auf dem Kopf. Ich formuliere es einmal vorsichtig: Besonders vorteilhaft ist es nicht. Weder für meinen offenen Mund noch für mein Doppelkinn, das mir vor diesem Foto noch nie so drastisch aufgefallen ist.
    »Hey! Da bist du ja!«
    Ich zucke zusammen und blicke schnell auf. Ein junger Mann tritt neben mich und grinst mich an. Natürlich erkenne

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