Lieblingsmomente: Roman
leid.«
»Wenn dir was einfällt, lass es mich wissen. Wir spielen so ziemlich alles.«
Ich nicke, sehe dann kurz an ihm vorbei und versuche zu erkennen, wo Marco steckt. Er müsste eigentlich gleich wieder hier sein, und ich weiß nicht so recht, wie viel ich von meinen Gefühlen für Tristan noch verbergen kann.
Da beugt Tristan sich zu mir herunter, so wie vorhin Marco, aber diesmal wird mir ganz warm. Es ist so, als würde von seinem Körper eine Wärme auf mich überspringen. Sofort kribbelt mein ganzer Körper, und mir wird bewusst, wie sehr ich seine Nähe vermisst habe.
»Du siehst atemberaubend aus.«
Damit steht er auf und ist wieder verschwunden. Ich halte mich an meinem Getränk fest und weiß: Mein Kopf läuft gerade knallrot an. Es scheint so, als würde mein Körper nicht wissen, wohin mit dem ganzen Blut, und als würde er es deshalb in mein Gesicht schießen, damit auch wirklich jeder im Raum sieht, wie sehr mich Tristans Worte bewegen.
Ich kann Marco riechen, noch bevor ich ihn sehe, und er lässt sich wieder auf den Stuhl neben mich fallen. Das verschafft mir den Bruchteil einer Sekunde, um mich wieder zu fassen.
»Kennt ihr euch gut?«
Er kommt direkt auf den Punkt, und ich spiele mit.
»Ja.«
»Woher kennt ihr euch?«
»Er ist mein Fahrradkurier.«
Das ist nicht einmal gelogen, und ich lächle ihn ehrlich an.
Bisher habe ich nicht gelogen. Ja, ich kenne ihn gut – und ja, er ist mein Fahrradkurier. Aber Marco scheint ebenso wenig überzeugt davon wie ich, nickt und deutet auf mein Gesicht.
»Nun, dein Fahrradkurier hat dir eine gesunde Farbe ins Gesicht gezaubert, meine Liebe.«
Er lacht und nimmt sein Glas in die Hand. Bevor ich etwas zu meiner Verteidigung erwidern kann, stößt er mit mir an.
»Er ist es, habe ich recht?«
»Er ist was?«
»Deine Muse. Die Fotos. Das neue Gefühl. All das, was du mir vorhin im Restaurant erzählt hast. Er ist es, oder?«
»Was? Nein, Quatsch. Er ist nur ein Freund.«
Und er weckt in mir längst verschüttete Träume und Hoffnungen und füllt mein Leben im Sekundentakt mit Lieblingsmomenten an, was eben schon wieder passiert ist. Als würde Gott nicht glauben, dass ich es bereits verstanden hätte. Zur Sicherheit lieber noch eine weitere Lektion in Sachen: »Was Tristan dir wirklich bedeutet«. Ich könnte genauso gut alles zugeben und nicken. Aber ich kann nicht.
»Er ist nur ein Freund. Wirklich.«
Das Licht wird wieder etwas stärker gedimmt, die Leute haben ihre Position eingenommen, und ich sehe wieder zur Bühne. Tristan ist nur ein Freund, der jetzt auf der Bühne steht, seine Gitarre neu stimmt – leicht gebeugt, das Plektrum zwischen den Zähnen, mit ernstem Gesichtsausdruck, und damit perfekt für ein Foto. Ich weiß nicht mehr, wie lange es gedauert hat, vermutlich nur Sekunden, aber ich weiß, noch während ich auf den Auslöser drücke, dass die Fotos, die ich von diesem Moment mache, unwiderstehlich gut werden. Sie sind voller Intimität. Tristan und seine Gitarre. Er hält sie wie einen Frauenkörper, zärtlich, fast schüchtern, voller Liebe. Sein Blick zeigt völlige Konzentration, seine nur einen schmalen Spalt geöffneten Lippen, seine leicht geröteten Wangen, ich habe alles aufgezeichnet.
Mich stört Marcos Blick nicht, weil ich ihm scheinbar ohnehin nichts vormachen kann und er mich bereits durchschaut hat. Aber mit der Kamera in der Hand habe ich zumindest eine Ausrede, um Tristan wieder betrachten zu können. Als er während des Stimmens einmal kurz aufblickt, seine grünen Augen direkt auf mich gerichtet sind und für einen Moment aufleuchten, schreckt er damit einen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch auf, und ich falle fast vom Hocker. Als er sich sofort wieder lächelnd seiner Gitarre zuwendet, ist alles wieder so, als wäre nichts gewesen, nur das Flattern in mir beweist, dass das gerade wirklich passiert ist.
Volkan wendet sich wieder ans Publikum.
»Okay, als Nächstes spielen wir einen Klassiker der Wunschlieder. Und der Wunsch kommt diesmal direkt aus der Band. Tristan?«
Mein Körper spannt sich an, meine Hände klammern sich fest an meine Kamera, meine Atmung verändert sich. Und setzt schließlich aus. Tristan tritt ans Mikrofon und grüßt kurz die Menge.
»Sorry, wenn ich diesmal egoistisch meinen Wunsch vorschiebe. Aber heute ist jemand im Publikum, und ich möchte ihr gerne dieses Lied widmen. Viel Spaß.«
Mein Puls rast durch meinen Körper, als hätte Sebastian Vettel die Kontrolle
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