Lieblingsmomente: Roman
ich vorhin geschossen habe, und sehe wieder diesen unendlich traurigen Blick, und dann zerreißt es mir fast das Herz. Die Vorstellung, ich könnte eines Tages der Grund dafür sein, lässt mein Herz auf die Größe einer Erdnuss schrumpfen.
Bevor ich etwas erwidern kann, steht Tristan neben uns. Er trägt ein frisches T-Shirt und hat seinen Gitarrenkoffer dabei. Sein Blick fliegt über mein Gesicht, und er überrascht mich mit einem etwas unsicheren Lächeln.
»Ihr habt euch schon bekannt gemacht?«
Björn nickt und reicht ihm eine Flasche Bier.
»Japp, haben wir. Süßes Mädchen.«
Tristan stößt mit mir an, sieht mir dabei in die Augen und lächelt. Was ist das hier? Ich kann mit dieser Situation nichts anfangen. Ist das ein Versuch, Freunde zu sein? Wir trinken zusammen Bier, und ich lerne seine anderen Freunde kennen? Wieso dann vorhin auf der Bühne diese … ja … nun … Liebeserklärung? Es war eine Liebeserklärung, oder? Also bei mir hat sie gewirkt. Er ist auf die Knie gegangen, hat dann allerdings gegrinst. O Gott. Ich mache mich hier lächerlich, nicht wahr? Das war nichts anderes als ein Lied, das zufällig meinen Namen trägt. Ich bin nicht Claptons Layla, und Tristan ist nicht Clapton, und Oliver ist ganz sicher nicht George Harrison. Wir sind wir, und das war nur ein Lied. Gut, dass das geklärt wäre. Etwas verunsichert nehme ich wieder einen Schluck Bier und frage mich, wie Björn das eben gemeint hat, ich solle ihm nicht wehtun?
»Kann ich die Fotos sehen?«
Tristan zeigt auf meine Kamera, aber es ist mir unangenehm. Ich möchte nicht, dass er sieht, wie viele Fotos ich von ihm gemacht habe. Er könnte es falsch verstehen oder, noch schlimmer, genau richtig.
»Ich muss sie erst bearbeiten und eine Auswahl treffen. Aber wenn du magst, schicke ich sie dir.«
»Sie sind brillant.«
Marco schiebt sich zwischen uns. Er hat Volkan, Nesli, Thomas und sogar Ben im Schlepptau. Dann reicht er sowohl Tristan als auch Björn die Hand.
»Marco. Hallo. Und die Fotos sind wirklich brillant. Wie die meisten, die Layla macht.«
Er lächelt mich an, und ich weiß, er meint es so – aber ich habe noch immer Schwierigkeiten, Komplimente für meine Arbeit anzunehmen. Vor allem von Marco, der wirklich Ahnung hat. Und vor allem, nachdem ich doch die letzten Jahre damit verbracht habe, meine Träume und mein Talent zu verleugnen. Er dürfte ruhig etwas gemeiner sein und es mir nicht so leicht machen.
»Du solltest ihm die Mappe zeigen.«
Auch du, mein Sohn Brutus. Wie kann mir Marco das nur antun? Wenn Tristan die Bilder sieht, wird er verstehen, und das darf er nicht. Ich weiß momentan doch gar nicht, was wir sind, und ich kann ihn nicht wissen lassen, wie wichtig er für meine Arbeit geworden ist.
»Die würde ich sehr gerne mal sehen. Ich kenne nicht viele Fotos von ihr.«
Ich will mich gerade mit einer blöden Ausrede aus der Affäre ziehen, als Thomas sich einschaltet und stolz den Arm um mich legt.
»Sie hat ein paar wirklich tolle Fotos bei meinem Konzert gemacht. Ich habe einige davon auf meine Homepage gestellt, und ein Journalist, der vielleicht eine kleine Geschichte über mich macht, würde sie gerne im Heft abdrucken.«
»Wirklich?«
Das hat er mir noch gar nicht erzählt, und ich bin momentan über jede Ablenkung dankbar.
»Hast meine Nachricht von heute Nachmittag nicht gesehen?«
»Nein. Ich hatte keine … Zeit. Die wollen meine Bilder? Wirklich?«
»Ja, das ist aber alles noch nicht in trockenen Tüchern. Jetzt zeig erst mal, Layla.«
Thomas sieht mich aufmunternd an. Auch alle anderen Augenpaare sind auf mich gerichtet, als wäre ich in den letzten zwanzig Sekunden zur Hauptfigur dieser Runde erklärt worden. Auch Tristan lässt mich keinen Moment aus den Augen. Es scheint fast, als könne er meine Gedanken lesen, was mich noch unsicherer werden lässt.
»Kein Problem. Dann übernehme ich von hier ab.«
Marco zieht meine Mappe aus der Tasche und will sie Tristan reichen, aber ich bin schneller und bekomme sie zu fassen.
»Nein. Das ist … keine gute Idee.«
»Wieso denn? Ich habe dir doch gesagt, wie wunderbar sie sind. Wirklich. Die Bilder müssen unter die Menschen.«
Er lächelt Tristan und Björn an und hat keine Ahnung, was er mir hier gerade antut. Aber ich gebe nach, gebe Tristan die Mappe und weiß genau, er wird mich durchschauen. Er wird seine Worte in meinen Bildern wiedererkennen. Die kleine Gruppe stellt sich näher an Tristan. Alle wollen einen
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