Lieblingsstücke
Steuerfahndung lauern mir in New York auf. Ich flüchte aufs Empire State Building und sehe von oben, wie Christoph den Marathon gewinnt. Ich wache von meinen wirren Träumen auf, und mir fällt siedendheiß ein, dass ich vergessen habe, Frau Rupps anzurufen. Ich werde die Nummer mitnehmen und das morgen, von New York aus, erledigen. Ich habe noch eine Stunde Zeit, bis ich zum Flughafen muss. Also kann ich auch aufstehen. Wenn ich mich jetzt nochmal umdrehe, schlafe ich sowieso nicht mehr ein, aus Angst zu verschlafen. Außerdem kann ich ja im Flieger schlafen. Ich schaue nochmal mein Gepäck durch. Normale Klamotten, was zum Ausgehen, Turnschuhe, weil man ja viel läuft in New York, und Waschzeug. Mehr sollte man für ein langes Wochenende ja nicht brauchen. Und ein wenig Platz im Koffer kann auch nicht schaden, so wie der Dollar momentan steht, wäre es verrückt, nicht ein bisschen einzukaufen.
Das gestern Abend noch bestellte Taxi ist pünktlich, und es geht los zum Flughafen.
»Wo wolle Se denn mitte in der Nacht hin?«, fragt mich der Taxifahrer.
»Erst zum Flughafen und dann nach New York«, antworte ich stolz. New York. Das klingt wirklich großartig. So international. So chic. So großstädtisch.
»Ach«, brummt der Fahrer, »da hatt ich gestern schon einer. Auch hier aus der Straß. Der wollt aach nach New York, war abä net so gut gelaunt als wie Sie. Morz schlecht druff. Stinkisch.«
Ich kann mir gut denken, wer das gewesen sein könnte. Ich beschließe, es als ein gutes Omen zu werten. Derselbe Taxifahrer fährt erst Christoph und jetzt mich zum Flughafen. New York, ich komme! Wiedervereinigung im Big Apple!
4
Drei Stunden später sitze ich in der Maschine. Allerdings ist Sitzen fast untertrieben. Ich throne. Es ist mein erster Flug in der Business Class, und ich glaube, ich bin für immer verdorben für die hinteren Reihen. Was für ein Unterschied! Ich fühle mich wie eine Prominente. Eine Prinzessin. Eine schwerreiche Unternehmerin. Noch vor dem Abflug gibt’s erst mal einen Champagner. Natürlich keinen schnöden Prosecco, sondern richtigen feinen Schampus. Ich trinke gleich zwei Gläser davon. Wann kriegt man schon mal Champagner!
Ich wähle mein Menü, esse wirklich lecker (ja im Flugzeug! Und zwar alles, was ich bekommen kann, auch die Pralinen!) und ziehe mir dann zwei Kinofilme rein. Auf meinem eigenen Monitor! Mein Verhalten ist sicherlich eindeutig. Menschen, die ständig Business Class fliegen, werden wohl kaum eine solch kindische Freude an dem ganzen Gedöns haben. Ich bin mehr als begeistert. Von mir aus könnten wir einmal rund um die Welt fliegen. Und wieder zurück! Nur an Schlafen ist nicht zu denken, obwohl bei der Business-Class-Ausstattung neben diversen Cremes, Zahnbürste, Haarbürste und Schlafmaske sogar ein Schlafanzug dabei ist. Gar nicht mal hässlich. Dunkelblau mit Aufdruck: »Business Class«. Sogar richtig liegen kann man hier. Man kann den Sitz so weit verstellen, dass man am Ende richtig flach liegt. Der Sitz lässt sich in eine Art Bett verwandeln. Ich probiere jede mögliche Position aus, bis ein Herr hinter mir wenig charmant fragt, ob ich Probleme mit der Einstellung habe. Ich verneine und
nehme mal wohlwollend an, er meint die Einstellung des Sitzes.
Überhaupt – das Einzige, was auf diesem Flug ernüchternd ist, das sind meine Mitreisenden. Die habe ich mir doch aufregender vorgestellt. Glamouröser irgendwie. Der Großteil der Business-Class-Passagiere besteht aus älteren Männern, die kaum, dass wir in der Luft sind, ihre Schuhe ausziehen (auch Business-Class-Füße riechen übrigens!) und kurze Zeit später schnarchen. Ein Mann, der schnarcht, ist schwer zu ertragen – zwanzig sind die Hölle!
Trotzdem: lieber mit Geschnarche in der Business Class als ohne hinten.
Kaum in Amerika angekommen, werde ich, nach meinem Höhenflug, schnell wieder zurück auf den Boden geholt. Nicht nur, weil der Kerl an der Passkontrolle verschlagener guckt als der durchschnittliche Böse in jedem beliebigen James-Bond-Streifen, und ich einen Moment lang denke, ich wäre in Guantanámo gelandet, sondern weil er, obwohl ich freundlich »Hello« sage und sogar »How are you«, nicht ein Wort an mich richtet.
Ohne ein Bitte oder ein Danke, rein nonverbal, verlangt er meine Fingerabdrücke und scannt mein Auge. Dann, gerade als ich denke, dass die Amis richtig nett sind, weil sie einen Stummen hier arbeiten lassen – kein Wunder also, dass dieser Gebeutelte so
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