Liebst du mich wirklich, Raoul
sich einen Reim auf seine rätselhaften Worte machen konnte, wandte er sich an Moira. „Ich schlage vor, Rhianna kommt noch zum Empfang vor der eigentlichen Feier, wenn nur ein paar Getränke gereicht werden. Dann sind auch die Fans von Castle Pride zufrieden. Sobald man in den gedeckten Festsaal bittet, verabschieden wir uns unauffällig. Einverstanden?“
„Das nehme ich an“, sagte Carrie an Rhiannas Stelle. „Obwohl ich es so ganz sicher nicht geplant habe. Zwei Menschen, die mir mit am wichtigsten sind, fehlen.“ Sie zog die Brauen zusammen. „Aber es ist die Lösung für ein Problem, das nie hätte auftreten dürfen. Und das werde ich Simon auch genau so sagen.“
„Aber sei nicht zu hart!“, riet ihr Raoul lächelnd. „Sonst überlegt er es sich vielleicht anders und taucht am Samstag gar nicht erst auf.“
Gelassen erwiderte sie sein Lächeln. „Nie im Leben!“
Rhianna stürzte ihre Limonade hinunter und spürte, wie die Fruchtsäure in ihrem Hals brannte.
4. KAPITEL
Einerseits war Rhianna heilfroh, dass ihr die anstrengenden Peinlichkeiten der morgigen Familienfeier mit Mrs. Seymour erspart bleiben würden, andererseits fiel es ihr unendlich schwer, sich während des Abendessens auf neutrale Gesprächsthemen zu beschränken.
Raoul seinerseits blieb die gesamte Zeit über recht wortkarg. Als der Kaffee serviert wurde, blieb er auf dem Weg zur Tür kurz neben Rhiannas Stuhl stehen.
„Bis morgen dann.“
Sie zwang sich, ihn anzusehen. „Ja“, sagte sie. „Natürlich. Bis dann.“
Mit zitternden Händen stellte sie ihre Tasse ab.
„Du hast nicht gerade viel gegessen“, bemerkte Carrie besorgt, als sie später gemeinsam im Mondschein spazieren gingen. „Merk Dir eines: Du darfst auf gar keinen Fall krank werden. Nicht ausgerechnet an meinem großen Tag.“
„Ich bin wohl nur etwas angespannt“, redete sich Rhianna heraus. „Wegen morgen Abend.“
„Das wird schon werden“, beruhigte Carrie sie. „Auch wenn ich es nicht gern zugebe, ihr seid wahrscheinlich besser dran als der Rest von uns!“ Sie schnitt eine Grimasse. „Dieses Familienessen wird sicher sehr anstrengend. Außerdem ist es ja nicht das erste Mal, dass Raoul dich zum Essen ausführt.“
Rhianna schreckte auf. „Was meinst du damit?“
„Dein Geburtstagsgeschenk natürlich“, antwortete Carrie. „Oder hast du etwa den Höhepunkt deiner Teenagerjahre vergessen? Ich war noch nie in meinem Leben so eifersüchtig.“
„Nein“, sagte Rhianna ruhig. „Ich hab es nicht vergessen.“ Sie sah zum Himmel hinauf. „Ich gehe noch mal hinunter in die Bucht, bevor ich ins Haus komme. In dieser sternklaren Nacht sieht der Mond bestimmt toll aus über dem Wasser. Kommst du mit?“
„Nicht in diesen Schuhen“, erwiderte Carrie und betrachtete ihre hohen Absätze. „Und du sei auch vorsichtig! Ich möchte dich nicht mit einem gebrochenen Knöchel durch die Kirche humpeln sehen.“
„Zu Befehl.“ Rhianna salutierte spöttisch.
Ein gebrochener Knöchel heilt wieder, dachte sie traurig. Aber was ist mit einem gebrochenen Herzen? Wie bereitet man sich auf die schmerzhafte Einsamkeit vor, die einen erwartet?
Rhianna nahm ihre Schuhe in die Hand und schlenderte über den Strand zu einem flachen Stein. Dort setzte sie sich hin und betrachtete den glitzernden Mondschein, der sich auf der ruhigen See spiegelte. Man sah nicht die geringste Bewegung im Wasser.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrem dreizehnten Geburtstag, an den niemand gedacht hatte. Sie bekam damals keine Geschenke, nicht einmal eine Glückwunschkarte. Und Carrie war für eine Woche auf Klassenfahrt. Den ganzen Tag wartete Rhianna darauf, dass wenigstens irgendetwas passierte, und die wachsende Enttäuschung schnürte ihr langsam die Kehle zu. Es war ein einziger Albtraum, vor allem da ihre Mutter Rhiannas Geburtstag früher immer zu etwas ganz Besonderem gemacht hatte. Überraschungsausflüge, Kuchen mit Kerzen, warme Arme, die Rhianna umfingen und ganz festhielten.
Irgendwann an diesem furchtbaren dreizehnten Geburtstag war sie schließlich hinunter zur Bucht geflohen – zu dem Ort, an dem sie sich seit ihrer Ankunft in Penvarnon am wohlsten und sichersten gefühlt hatte. Dort traute sie sich endlich, ihren verletzten Gefühlen und ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Rhianna lag auf dem flachen Stein und konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ihr Schluchzen allmählich abebbte.
Plötzlich fiel ihr tränenverhangener
Weitere Kostenlose Bücher