Liebst du mich wirklich, Raoul
Francis wandte sich mit ein paar sehr freundlichen Worten an die beste Freundin seiner Tochter. Sie plauderten eine Weile, bis das Thema auf Rhiannas Zukunftspläne kam. So gut sie konnte, redete sie sich mit inhaltslosen Plattitüden heraus und entfloh Francis’ prüfendem Blick, so schnell sie konnte.
„Rhianna, du raubst mir den Atem. Ich empfinde diesen Abend als ganz besonderes Privileg.“
Sie drehte sich nach Raoul um. Mit einer solch überschwänglichen Begrüßung hatte sie nicht gerechnet. Fassungslos hielt sie die Luft an, während er sie von Kopf bis Fuß musterte und einen bewundernden Laut ausstieß.
„Das Kompliment möchte ich gern zurückgeben“, sagte sie zögernd, denn sein Anblick imponierte ihr tatsächlich. Sie kannte keinen anderen Mann, der einen teuren Anzug mit so viel Klasse tragen konnte.
„Entschuldige meine Verspätung“, fuhr er fort. „Ich musste mich noch um etwas kümmern. Möchtest du dich noch länger unterhalten, oder sollen wir uns davonstehlen?“
„Gern, obwohl unser Dinner lediglich eine Pflichtveranstaltung ist“, murmelte sie und ließ sich von Raoul aus dem Raum zur Garderobe führen. „Wir müssen das auch nicht unbedingt machen. Niemand würde bemerken, wenn wir uns schon hier und jetzt voneinander verabschieden.“
„Auf keinen Fall, Rhianna“, widersprach er und schüttelte den Kopf. „Meine Einladung steht, ganz gleich, wie unangenehm sie dir ist.“
Gemeinsam spazierten sie in Richtung Hafen hinunter, und sie fragte sich, welches Lokal Raoul ansteuerte. So viele Möglichkeiten hatte Polkernick schließlich nicht zu bieten. Doch die Frage erübrigte sich, als Rhianna plötzlich vor einer riesigen Luxusjacht stand.
„Du willst mit mir auf deinem Boot zu Abend essen?“, fragte sie ungläubig.
„Warum nicht? An Bord gibt es jeden Komfort, und ich habe einen ausgezeichneten Koch.“ Er räusperte sich und hob die Schultern. „Entweder hier oder wieder die berühmten Meeresfrüchte. Und ich dachte, in diese Erinnerungen wollen wir beide nicht unbedingt eintauchen.“
„Wie recht du hast“, erwiderte sie knapp und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. „Dann lass uns an Bord gehen. Wir wollen deinen Koch doch nicht warten lassen?“
Mit klopfendem Herzen schritt sie voraus.
5. KAPITEL
Rhianna blieb nichts anderes übrig, als nach Raouls ausgestreckter Hand zu greifen, um sich an Bord helfen zu lassen.
„Dies ist Juan“, stellte er einen freundlich grinsenden Seemann vor. „Er hilft mir auf dem Schiff, und sein Bruder Enrique kocht.“
Im Innern der Jacht erwartete Rhianna eine geschmackvolle, luxuriöse Ausstattung. Erstaunt sah sie sich um und betrachtete die eleganten Möbel, die selbst für eine erstklassige Hotelsuite zu kostbar waren. Am glänzend polierten Esstisch hatten acht Personen Platz, aber heute Abend war er nur für zwei eingedeckt.
„Einen Drink?“, bot Raoul an. „Ich könnte dir frischen Orangensaft anbieten, wenn du dem Alkohol noch immer abgeneigt bist.“
„Für den Fall, dass ich über Bord gehe, gibt es hier ja kräftige Seemänner, die mich retten können. Daher entscheide ich mich für Sherry, bitte so trocken wie möglich.“
„Ja, ertrinken ist heute keine Option“, warnte er sie ironisch. „ Salud !“
Etwas scheu gab sie diesen Toast zurück und nahm einen Schluck. Dann weiteten sich ihre Augen. „Der ist ja hervorragend!“
„Schön, dass er deine Zustimmung findet. Dieses Schiff ist übrigens eine erweiterte Version meiner letzten Jacht.“
„Ich wusste gar nicht, dass du dich für das Segeln interessierst“, bemerkte sie beiläufig.
„Wie solltest du auch? Mit achtzehn bist du nach London gegangen und hast dir den ländlichen Staub von den Schuhen geschüttelt, und seitdem haben wir uns kaum gesehen. Jedenfalls nicht bis vor ein paar Monaten, und da gab es immer andere Dinge, über die wir gesprochen haben, falls du dich erinnerst.“
Sie starrte in ihr Glas. „Das werde ich wohl kaum vergessen.“
„Kann ich mir denken. Also, Rhianna, wieso bist du – trotz allem – zu dieser unglückseligen Hochzeit gekommen?“
„Ganz einfach, weil mir kein überzeugender Grund einfiel, ihr fernzubleiben“, erklärte sie. „Oder sollte ich Carrie sagen, dass du mich unter Druck setzt? Außerdem wollte ich mich verabschieden.“
Raoul presste die Lippen zusammen.
„Von Carrie.“ Rhianna sah ihn trotzig an. „Und von allem anderen hier. Die letzten Verbindungen werden endgültig gekappt,
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