Liebst du mich wirklich, Raoul
dir wohl gefallen, aber leider sieht das echte Leben anders aus.“
„Wie wir selbst erfahren haben“, murmelte sie und überlegte, wie sie zügig das Thema wechseln konnte. „Aber Enrique ist wirklich ein Goldstück. Hat er jemals daran gedacht, sein eigenes Restaurant zu eröffnen, oder arbeitet er nur für dich?“
„Keine Ahnung. Warum fragst du ihn nicht?“
Sie errötete leicht. „Ach nein, das geht mich ja auch gar nichts an.“
„Er würde sich bestimmt geschmeichelt fühlen“, versicherte Raoul ihr. „Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass er derartige Pläne hegt. Soweit ich weiß, lieben er und sein Bruder ihr Leben und haben nicht vor, etwas daran zu ändern.“
„Und der Rest von uns ist ständig auf der Suche nach dem wahren Glück“, überlegte Rhianna laut. Dann warf sie einen Blick auf ihre Uhr. „Himmel, es ist schon fast Mitternacht. Ich sollte jetzt nach Hause gehen.“
Auch Raoul hob die Augenbrauen. „Wozu? Die Feier ist sicher noch nicht vorbei.“
„Doch, natürlich. Oder hast du den alten Brauch vergessen? Carrie muss vor zwölf verschwinden, weil es Unglück bringt, wenn der Bräutigam die Braut am Tag der Hochzeit noch vor der Trauung zu Gesicht bekommt.“
„Bei der ganzen Aufregung muss ich das völlig vergessen haben“, sagte er ironisch und grinste breit. „Andererseits bin ich auch nicht besonders abergläubisch. Ich kann dich also nicht überreden, noch einen Kaffee mit mir zu trinken?“
„Danke, aber dafür ist es mir zu spät.“
„Ja, du möchtest sicher für morgen ausgeschlafen sein“, bemerkte er steif. „Aber bevor du gehst, willst du dich vielleicht noch etwas frisch machen. Ich weise Enrique an, dich zu einer Kabine zu führen.“
Nachdem Raoul verschwunden war, betrachtete Rhianna den dunkelroten Wein in ihrem Glas. Dies war vermutlich der letzte Abend, den sie mit Raoul verbrachte, aber sein Bild würde für immer in ihrem Gedächtnis verankert bleiben. Seufzend legte sie den Kopf in den Nacken.
Wenig später brachte Enrique sie zu einer riesigen, gemütlich eingerichteten Kabine mit angrenzendem Badezimmer.
„Ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, Señorita“, sagte er grinsend. „Wenn Sie noch irgendetwas brauchen sollten, dort drüben ist eine Personalklingel.“
Etwas irritiert bedankte sie sich und schloss die Tür hinter ihm. Dann ging sie ins Bad, wusch sich die Hände und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Mit einem kleinen Kamm aus ihrer Handtasche fuhr sie sich durch die Haare, als sie plötzlich bemerkte, wie viele Toilettenartikel im Badezimmerregal standen. Und von der Bodylotion bis zum Shampoo waren es ausschließlich Produkte, die Rhianna selbst auch benutzte. Dann fiel ihr auf, dass es gebrauchte Packungen waren, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
Auf dem Absatz wirbelte sie herum und stürzte zurück ins Schlafzimmer, um dort die Schränke aufzureißen. Es war, wie sie befürchtet hatte. All ihre Privatsachen waren hier auf diesem Schiff – verstaut in Schubladen und Schränken. Sogar ihre Handtasche, allerdings fehlten das Portemonnaie, ihr Handy und ihr Reisepass.
Unter ihr begann der Boden leicht zu vibrieren, als der Schiffsmotor angelassen wurde. Entsetzt stellte sie fest, dass die Windhover ablegte. Rhianna warf sich gegen die Tür und rüttelte am Griff, doch sie ließ sich nicht öffnen.
Dieser miese Schuft! schoss es ihr durch den Kopf. Wir leben doch nicht mehr im sechzehnten Jahrhundert, und Raoul ist auch kein Pirat!
Sie konnte nicht fassen, dass er auf diese Weise seinen Willen durchsetzten wollte. Auf gar keinen Fall würde sie auf diesen Entführungsversuch mit Hysterie reagieren, denn das war vermutlich genau das, womit Raoul rechnete. So ruhig sie konnte, betätigte Rhianna die Personalklingel und wartete.
Der Jachtbesitzer höchstpersönlich erschien innerhalb weniger Minuten und grinste sie frech an. Er hatte sein Jackett und seinen Schlips abgelegt, und drei offene Hemdknöpfe gaben den Blick auf seine braun gebrannte Brust frei.
Rhianna empfing ihn auf dem Sofa sitzend, die Beine lässig übereinandergeschlagen und mit gefalteten Händen – um ihr starkes Zittern zu verbergen.
„Ich habe schon befürchtet, du wirfst mit Gegenständen nach mir“, sagte er und schloss die Tür hinter sich.
„Was, um alles in der Welt, hast du vor?“, erkundigte sie sich kühl.
„Ich nehme dich mit auf einen kurzen, romantischen Ausflug. Jedenfalls gehe ich davon aus, er wird
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