Liebst du mich wirklich, Raoul
das sollte dich doch beruhigen.“
Gedankenverloren betrachtete er die blasse Flüssigkeit in seinem Glas. „Nichts an dir wirkt sonderlich beruhigend auf mich, Rhianna.“ Er lehnte sich zurück in die Kissen. „Sag mal, hast du deinen Reporterfreund noch mal getroffen, oder ist es ihm bisher nicht gelungen, dich aufzuspüren.“
„Du scheinst eine ziemlich breit gefächerte Auffassung von Freundschaft zu haben. Was diesen Herrn betrifft, offenbar ist er dahin zurückgekehrt, wo er herkam. Ich hoffe nur, er bleibt auch dort.“
„Amen.“ Sein dunkler Blick wurde ernst. „Ich habe schon befürchtet, du würdest ihm die Story für seinen großen Durchbruch liefern wollen. Bräutigam brennt mit TV-Starlet durch. Etwas in dieser Art.“
Ihre Finger schlossen sich fester um den Stiel ihres Glases. „Du hast eine lebhafte Fantasie. Der Gossenjargon klingt auch ziemlich überzeugend. Möglicherweise hast du deinen Beruf verfehlt.“
„Dann bin ich erst recht froh, dass zumindest einer von uns sein Potenzial voll ausschöpft“, brummte er. „Ich werde mal nachfragen, wie weit Enrique mit dem Essen ist.“
Das war Rhianna nur recht, denn schließlich hatte sie an diesem Tag kaum etwas gegessen. Außerdem sah sie ohnehin keine Chance, vorzeitig wieder an Land gehen zu können, ohne sich eine Blöße zu geben. Deshalb wollte sie das Essen hinter sich bringen und sich dann mit Würde und Anstand verabschieden.
Zur Not musste sie sich eben einiger Elemente ihrer Fernsehrolle bedienen. Schließlich war sie Lady Ariadne, das schönste herzlose Miststück, das zurzeit über den Bildschirm flimmerte . So hatte es jedenfalls ein billiges Klatschblatt beschrieben.
Rhianna würde essen, trinken, charmant und umgänglich sein, vielleicht sogar ein wenig flirten. Und die ganze Zeit über war sie absolut unerreichbar. Diese Haltung hatte ihr im Leben schon häufig gute Dienste geleistet.
Und morgen werde ich mit dem erstbesten Zug verschwinden, nahm sie sich vor. Hochzeit oder nicht! Es muss endlich vorbei sein. Ich kann mir nicht leisten, ständig zurückzublicken und zu hoffen …
Unter anderen Umständen hätte Rhianna das Essen, welches ihnen von einem strahlenden Enrique serviert wurde, in vollen Zügen genossen.
Der erste Gang bestand aus einer köstlichen Auswahl von Tapas: kleine würzige Würstchen im Schinkenmantel, gefüllte Oliven, Knoblauchgarnelen, Anchovis und marinierte Paprikaschoten. Anschließend gab es Lammfilet, rosa und zart, mit gegrilltem Gemüse, gefolgt von einer exquisiten Mandelcreme. Dazu tranken sie einen exzellenten Rioja.
Es war ein angenehmes Dinner, und Raoul erwies sich als der perfekte Gastgeber. Überrascht stellte Rhianna fest, wie sie sich in seiner Gegenwart zunehmend entspannte. Ihre abwehrende Haltung verschwand langsam, was außerordentlich gefährlich für sie werden konnte.
„All das hier“, sagte sie lachend, während sie sich über die Vorzüge der Luxusjacht unterhielten, „inklusive Juan und Enrique. Ist das ein Kniefall vor deinen spanischen Vorfahren?“
Amüsiert hob er die Schultern. „Von Zeit zu Zeit besinnt man sich eben auf seine Wurzeln. Außerdem waren wir im Zeitalter von Elizabeth der Ersten doch alle Piraten, Engländer wie Spanier“, fuhr er unbekümmert fort. „Allesamt Räuber und Plünderer im Namen des unbezwingbaren Patriotismus. Wir haben uns genommen, was wir wollten, zur Hölle mit den Konsequenzen. Wer weiß, was sich mein berüchtigter Urahn alles hat zuschulden kommen lassen?“
„Und dann haben er und Tamsin geheiratet“, schloss Rhianna ruhig.
„Er ist ihr begegnet und hat sie verführt“, korrigierte Raoul. „Ziemlich verwegen für damalige Verhältnisse. Ihr Vater hätte ihm immerhin die Kehle durchschneiden könne, anstelle ihnen seinen Segen zu geben.“
„Aber es ist alles gut gegangen“, beharrte sie. „Und er blieb in einem feindlichen Land, also muss er sie sehr geliebt haben.“
„Vielleicht. Vergiss aber nicht, dass sie eine wohlhabende Erbin war, während er als jüngerer Sohn seiner Familie einen Weg finden musste, sich in der Welt durchzuschlagen. Ein paar Lügen in Bezug auf seine Herkunft und ein Schnellkurs für die englische Sprache scheinen mir kein überhöhter Preis zu sein. Der Reichtum kam erst später.“
„Ein recht zynischer Blickwinkel“, bemerkte sie spitz. „Ich bevorzuge die romantische Variante.“
Seine Gesichtszüge verhärteten sich. „Der Triumph der wahren Liebe, was? Das könnte
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