Liebst du mich wirklich, Raoul
genau wie Carrie selbst.“
Simon zuckte übertrieben die Achseln. „Du weißt doch, wie das ist, Mensch.“ Er schnitt eine Grimasse und zeigte auf Rhianna. „Was einem auf dem Präsentierteller angeboten wird, schlägt man nicht einfach aus. Ganz besonders dann nicht, wenn es so reizend verpackt daherkommt.“
Dann wankte er langsam quer über den Stallplatz davon.
Wie betäubt sah Rhianna ihm hinterher und dachte angestrengt nach. Simon hatte es so aussehen lassen, als wäre sie selbst die treibende Kraft gewesen – als hätte sie ihn verführen wollen.
Mit zitternden Fingern schloss sie die Knöpfe, die Simon ihr aufgerissen hatte. „Ich muss zurück“, murmelte sie leise.
„Nein, musst du nicht. Du bist fertig für heute Abend und wirst direkt nach Hause in dein Bett gehen!“
„Ist das ein Befehl, Sir?“, fragte sie steif.
„Allerdings.“ Er atmete tief durch. „Was war das gerade eben? Ein gebrochenes Herz als Geburtstagsgeschenk für deine Freundin Carrie? Denn genau das wäre geschehen, wenn sie dich an meiner Stelle hier gesucht hätte.“
Sein Kopfschütteln hatte etwas Strafendes. „Was immer ich von ihm halten mag, er ist der Mann, in den sie verliebt ist. Also behalte deine gierigen Klauen gefälligst bei dir! Und das ist ein weiterer Befehl!“
Weil sie selbst zu erschrocken war, hatte sie sich nicht einmal richtig gegen Simon gewehrt, und dafür hätte Rhianna sich jetzt ohrfeigen können. Als sie an Raoul vorbeigehen wollte, hielt er sie am Arm zurück.
„Siehst du dich selbst in dieser Rolle? Sex im Stall mit dem Mann deiner Freundin? Du enttäuschst mich, Rhianna!“
„Soweit wäre es nie gekommen“, sagte sie bitter.
„Für mich hat es nicht so ausgesehen, als hättest du die Situation im Griff, Kleines. Ein angetrunkener Grünschnabel akzeptiert meistens nicht, wenn er im letzten Augenblick abgewiesen wird. Du hättest ernste Schwierigkeiten bekommen, wäre ich nicht rechtzeitig aufgetaucht.“
„Was interessiert dich plötzlich das Privatleben einer Angestellten?“ Ihr Tonfall klang noch verbitterter als zuvor. „Ich kann gut auf mich allein aufpassen.“
Seine Augen wurden dunkler. „Beweise es!“, sagte er rau und neigte den Kopf. Dann küsste er sie auf den Mund.
Es war ja nicht Rhiannas erster Kuss – auch nicht ihr zweiter –, aber diese Berührung veränderte sie für immer. Der Kontakt mit Raouls Lippen löste eine innere Kettenreaktion aus, der sich Rhianna hilflos ausgeliefert fühlte. Ihr wurde warm, ihr ganzer Körper kribbelte, und es entfesselte sich eine Sehnsucht, die ihr fremd und unheimlich war.
Nach einer Weile trat Raoul einen Schritt zurück. „Du überschätzt dich, Rhianna. Sei froh, dass wenigstens ich mich im Griff habe. Sonst würdest du diese Nacht in meinem Bett verbringen, nicht in deinem.“
Dann war er verschwunden, und Rhianna ging ganz aufgewühlt hinauf in die Personalwohnung, wo ihre Tante Kezia schon auf sie wartete.
„Wieder eine Carlow, die sich an einen Mann der Familie Penvarnon heranmacht“, spuckte sie ihrer Nichte entgegen. „Ich habe es geahnt. Du bist eine Schlampe, genau wie deine Mutter. Muss das sein? Hat sie nicht schon genug Schande über unsere Familie gebracht?“
„Aber so war es doch gar nicht“, versuchte Rhianna sich zu verteidigen. Ohne Erfolg.
„Meinst du, Mrs. Seymour wäre nicht aufgefallen, wie du und Raoul nacheinander verschwunden seid? Wir sind euch später gefolgt, und du hast heute Abend die schlimmsten Befürchtungen der Penvarnons bestätigt. Aber auch wenn Raoul vielleicht ausprobieren wollte, was seinen Vater damals an deiner Mutter gereizt hat, mehr wird daraus nie!“ Sie lachte trocken und heiser. „Er wird dir keine Wohnung in London finanzieren. Oh, ich werde mir nie verzeihen, dass ich Grace vor Ben Penvarnons Nase gesetzt und ihn damit in Versuchung geführt habe!“
Rhianna konnte nur schwer verdauen, was sie gerade von ihrer Tante erfuhr. Krampfhaft versuchte sie, die Puzzlestücke in ihrem Kopf zusammenzusetzen.
„Die ganze Zeit über hat dieses Miststück der armen, kranken Mrs. Esther ihr Mitgefühl vorgespielt, weil sie für ihre Pflege verantwortlich war“, fuhr Tante Kezia giftig fort. „Und die ganze Zeit über traf sie sich heimlich mit dem Ehemann ihres Schützlings in der Hütte am Strand oder oben im Moor. Und jetzt treibst du dasselbe mit seinem Sohn.“
„Das ist eine Lüge!“ Der Schmerz in Rhiannas Brust drohte sie zu zerreißen. „Meine Mutter
Weitere Kostenlose Bücher